Passiv macht passiv
An unseren Märkten macht sich ein Faktum mehr und mehr bemerkbar, das es in sich hat unsere künftigen Investitionsmuster gravierend zu verändern: der Anteil passiv gemanagter Portfolien hat gewaltig zugenommen.
Am deutlichsten tritt dieser Umstand derzeit in den USA zutage. Dort, wo auch die Kapitalmarktstatistik die umfassendsten Daten liefert, ist man bereits bei einer Quote aller passiv gemanagten Portfolien von über 50%. Bedeutet, dass alle ETFs, Indexfonds, Algorithmus-basierten Handelssysteme oder seitens Institutioneller Investoren als passiv gemanagt gemeldete Portfolien bereits größer sind als der Rest. Jeder aktive Manager, jeder Private, der noch über seine Investmentselektion persönlich im Detail nachdenkt, sollte sich klar werden, dass er bereits in der Minderheit angekommen ist. Tut vielleicht gut, sich Warren Buffet näher zu fühlen, aber hoffentlich fühlt man sich dabei nicht auch so alt wie diese Ikone des aktiven Managements inzwischen bereits geworden ist. Wer glaubt, die USA würden mit dieser Tendenz hier allein dastehen, der irrt. Auch in Europa ist man bereits bei über 30% angekommen. Wer weiß, vielleicht sogar mehr, nachdem die Transparenz über Managementstile hier noch nicht so ausgeprägt ist wie in den USA. Etliche Stile, wie beispielsweise das Gleichgewichten innerhalb von Portfolien gelten noch als aktiv verwaltet. Teilweise auch zu Recht. Die Selektion treibt die Entwicklung. Die USA sind hier konsequenter in der Zuordnung. Dramatisch ist beiden Kontinenten aber das Wachstum des passiven Universums. Vor drei Jahren waren es in USA noch 30%, in Europa weniger als 20%. Speed kills?
Die Effekte, die wir an unseren Börsen sehen sind eindeutig. Die Liquidität in indexfernen Assets ist richtiggehend abgestürzt. Fundamentale Faktoren tendieren immer mehr in den Hintergrund und werden von reinen Liquiditätsargumenten überlagert. Ein Teufelskreis. Man kauft nicht, weil nicht im Index, wodurch die Liquidität sinkt, und dadurch gibt es ein zusätzliches Argument wieder nicht zu kaufen. Tief einstellige KGVs findet man inzwischen an jeder Hausecke der Börsen. Einzig die Dividenden sind noch das Bollwerk aktiver Investoren geblieben, denn durch diese Zahlung ist auch ein gewisses Liquiditätsargument in Kraft.
Ein weiterer Effekt drängt sich aber immer stärker in unser Börsenleben hinein: die Volatilität nach Ergebnismeldungen. Wir sehen inzwischen immer öfter heftige Kursmuster nach Ergebnismeldungen. Ob positive oder negative Proft Warnings, es geht danach zur Sache. Die Ausprägung ist dadurch erklärbar, dass die obigen aktiven Investoren eine Bühne bei diesen Anlässen betreten, die kaum so dicht besetzt ist, als wenn mehr aktive Investoren daran teilnehmen würden. Dadurch wachsen die Amplituden, Kursbewegungen größer 10% sind aktuell keine Seltenheit mehr. Das Irritierende danach ist aber, dass diese Werte wieder in die passive Index- oder ETF-Nähe von davor tendieren. Der Zug des Index zur Wiederherstellung vorheriger Gewichtungen gewinnt als Faktor, weil die Indexanpassung immer öfter nicht sofort, sondern geglättet passiert. Ergebnisüberraschungen von Indexwerten werden daher immer häufiger ein paar Tage später offenbar glattgebügelt. Schon klar, gegen massive Ergebnisveränderungen oder deutliche Veränderungen von Unternehmensperspektiven hilft definitiv auch keine Indexzugehörigkeit, aber das Momentum, als Treiber unserer Märkte, hat mit passivem Management einen gewaltig starken Partner erhalten.
Und jetzt wird es gerade ziemlich spannend. Wie der aktuelle wirtschaftliche Trend, wo sich in den USA die Wachstumsfaktoren bei Produktion- und Dienstleistungsbetrieben verlangsamen, der Konsum immer mehr auf geborgtes Geld ausweicht, die Vollbeschäftigung an Kraft verliert und die Börsen von wenigen großkapitalisierten Werten überlagert sind deren Bewertungen, historisch betrachtet, deutlich über dem Durchschnitt liegen auf passiv verwaltete Portfolien trifft, deren größtes Selektionskriterium es ist investiert zu sein oder nicht.