Der Wert von Schulden
Jeder, der schon einmal Schulden hatte, wird eine bestimmte Einstellung dazu haben, die er sich durch das Verhalten seiner Kreditgeber und der Art und Weise wie er mit diesen Schulden umgegangen ist, gebildet hat. Ob Spielschulden oder andere „Ehrenschulden“, ob soziale Verpflichtungen oder einfach nur der Kredit einer Bank oder einer bankähnlichen Institution (Onkel Carlo zählt hier hoffentlich nicht dazu). Schulden sind Verpflichtungen und, wenn man Volkswirten und Wirtschaftsforschern glaubt, der Motor jeder wachsenden Zivilisation. Nun, das zu Ende gedacht, geht es in den USA gerade um deren Zivilisation, oder?
Die USA haben finanzielle Spielregeln und die gelten nicht nur für die kleinen Kreditnehmer, sondern auch für die USA selbst. Der Finanzhaushalt der größten Wirtschaftsmacht der Welt unterliegt einer fixen Disziplin und internen Budgetvorgaben. Werden diese durch exogene Schocks oder gar allzu freizügiges Vergeben von Geldern, auf Neudeutsch „Deficit Spending“, belastet so ist man, auch als Finanzminister der USA, dem Kongress Rede und Antwort schuldig. Das nicht nur weil es der Kongress so liebt im Nachhinein zu bestimmen was klug und was weniger klug war, sondern weil der Kongress auch jene Instanz ist, die weitere Kredite freigeben kann und, falls die Umstände glaubwürdig sind, dies bis dato auch immer getan hat. Dieser Prozess ist definitiv regelmäßig und, sofern nicht außerordentliche Belastungen sprunghaft auftreten wie beispielsweise SARS-CoV-2, auch erfolgreich. Irgendwie blöd halt nur, dass man in den USA immer so eine Art Balance zwischen Senat (demokratisch) und Kongress (republikanisch) hat und so wie es nun einmal spielt, gerade dann, wenn die Demokraten die Republikaner brauchen, diese sich zieren und umgekehrt. Doch jetzt drängt die Zeit. Der sprichwörtliche Hut beginnt ein wenig zu glosen, die Federn darauf rauchen bereits.
Es ist nämlich der Moment gekommen, in dem die Republikaner einer Erhöhung der Schuldengrenze nicht zustimmen wollen. Sie begründen dies zwar nur wenig, aber die Message ist laut und deutlich: „Jetzt, wo ihr uns braucht, wollen wir auch etwas dafür, nämlich mehr Macht und der Öffentlichkeit zeigen, dass ihr schlecht bei Finanzen seid“. Der Wahlkampf, in dem sich die USA offensichtlich bereits befinden, ist eben nicht gut für Prozesse, wo Einigkeit erforderlich ist. Das, was die Kapitalmärkte aber beunruhigt ist weniger die Einschätzung, dass es am Ende ohnehin zu einer Einigung kommen muss, denn der gemeinsam gefühlte Schmerz einer Zahlungsunfähigkeit trifft dann beide Lager, sondern vielmehr die Antwort auf die Frage wie weit die Republikaner bereit sind zu gehen, bevor eine Einigung stattfinden kann. Riskieren sie das Downgrade durch die Ratingagenturen? - Wobei S&P und Moody’s zwar US-Agenturen sind, aber Fitch gehört eigentlich zu Frankreich. Kann man transparente Märkte wirklich so „spielen“? Wenn nicht gar für Parteiinteressen missbrauchen? Und merken sich die Märkte, gerade in so sensiblen geopolitischen Zeiten ein solches Verhalten für länger?
Es ist klar, dass sich die Kapitalmärkte nach wie vor in hohen Erregungszuständen befinden, wo neues Übel unerwünscht ist. Inflation, Notenbankpolitik, Konjunktur, Krieg, China, Taiwan, Wahlkampf, Klimawandel, … all dies sind Pfeile, die bereits im Körper der Börsen stecken. Wenn nun, angeheizt von Marktteilnehmern, die an Handel und daher am sprunghaften Wechsel von Angst und Chancenbewusstsein (Gier ist definitiv falsch) hochgradig interessiert sind um nur ja viel hin und her zu traden, das Bewusstsein eines Spiels mit dem Feuer verstärkt wird, wird sich der eine oder andere Marktteilnehmer als Spielball erkennen und verärgert seine Interessen anders positionieren. Die Volatilität nimmt in solchen Phasen daher immer zu. Das politische Kalkül wird dabei je länger das dauert immer transparenter.
Bis man am Ende erkennt wie viel es wem wert war. Doch aufgepasst, der taktische Schuss kann an den Kapitalmärkten auch nach hinten los gehen, denn manchmal ist dieses „wie viel“ für Einige „zu viel“.