16.08.2022

Die Macht von Zeittoleranz



Im aktuellen Hin und Her der Kapitalmärkte ist Geschwindigkeit offensichtlich Trumpf. Jede noch so kleine Information wird sofort auf Aktualität geprüft um, so frühzeitig wie möglich, den Schmetterling zu erkennen der 5000 Kilometer weiter das Gewitter erzeugt. Die Analyse des Verhaltens chinesischer Reissäcke ist mittlerweile ins Zentrum der Kapitalmärkte gerückt. Das, was dieses Verhalten bestätigt oder nicht, welche Kursreaktion daraus entsteht, ist jedoch ein Tropfen Milch gegen die Finsternis in Bezug auf längerfristige Investitionsmuster. Diese langfristig ausgelegten Investitionen, die als steter Begleiter innerhalb der Börsenliteratur bestehen und den investierten Wohlstand als Ziel haben, haben derzeit so ziemlich Pause, es sei denn man bekennt sich zum guten alten Stil eines Warren Buffet der es wohl geschafft hat dieses Langfristimage in die heutige Zeit der Kapitalmarktvolatilitäten zu retten. Obwohl der alte Knabe offensichtlich, in der Erkenntnis der Macht seiner ihm anvertrauten Dollar-Milliarden, ein knallharter Verhandler ist was ihn zu einem solch „Langfristinvestor“ zu werden erlaubt. In jedem Fall ist ein „Hut-ziehen“ am Platze. So weit muss man erst einmal kommen. Chapeau!

Der Punkt, auf den ich aber zusteuere, ist jener, der unser tägliches Kaufen und Verkaufen in Bezug auf längerfristige Bewertungsgedanken beleuchtet. Und da sieht es gerade gar nicht gut aus, weil unlogisch. Believe it or not, wir lassen uns gerade mit Wonne die Butter vom Brot nehmen.

Was so gar nicht wirklich auffällt, aber Tatsache ist, ist, dass etliche Branchen und Unternehmen die letzten Jahre, teils auch durch die vielfältigen Belastungen bedingt, Weichen gestellt haben, die ihre Ergebnisse vielleicht als kurzfristig erscheinen lassen, aber langfristig die jeweilige Firma weit tragfähiger machen als sie aktuell gehandelt, sprich vom Markt bewertet wird. Bei dutzenden Pharma- oder Biotech-Unternehmen werden beispielsweise herausragende Zahlen gemeldet, die eine Reaktion von ein paar plus-Prozenten zur Folge haben, am nächsten Tag aber mit „Gewinnmitnahme“ das Minus erklären müssen. Firmenwerte werden mit Forschungsergebnissen zu massiv höheren Bewertungen befähigt, der Markt ignoriert dies aber. Die Spezialisten allerdings erkennen dies. Die Zeit für M&A bricht daher an. Die Portokassen der großen Brüder im Wettbewerb werden gerade geöffnet.

Und wer glaubt, dies alles wäre ein US- oder branchenspezifisches Momentum, der irrt. Und zwar gewaltig. Es passiert. Und das beispielsweise gerade direkt vor unserer Haustüre. Die Wiener Börse hat, ohne es offensichtlich zu wissen, bereits schon länger zum Ausverkauf gerufen. Streubesitze werden immer dünner. Die Anzahl der Aktionäre ebenso. Eine Konzentration die zwei Seiten bildet. Eine, die das Unternehmen sieht und eine, die den Kurs als sich bewegendes Objekt im Auge hat. Die erste Gruppe hat Zeit, die andere offensichtlich nicht. Dafür ist die zweite Gruppe definitiv Liebling der Börsen, den da wird ja wild gehandelt. Das führt zwangsweise zu Gelegenheiten für die erste Gruppe, die fast immer im Nachhinein als „Ausverkauf“ tituliert werden.

So auch jetzt: Erstes Schnäppchen am Wühltisch ist unser Flughafen. Die Flughafen Wien Aktie wird gerade von einem ihrer Großaktionäre, dem australischen Infrastrukturfonds IFM, zum Ausverkauf geladen. Ein wunderbares Angebot liegt vor dem selig lächelnden Streubesitz: 25,5% über dem Kurs vor Angebotslegung. Was für ein Segen! Wer sich an 2018 oder 2019 erinnert bekommt vielleicht erste Zweifel an der Attraktivität, denn der nun angebotene Abfindungskurs entspricht gerade dem unteren Kursdrittel der damals gehandelten Aktie. Und wer auf die Bewertung blickt, der erkennt, dass ein Flughafen, und noch dazu einer ohne Schulden und modern , eine Cash-Maschine ersten Rangs ist. Dann noch quasi Monopol und schon merkt man, warum die Großzügigkeit so bitter schmeckt. Aus Investorensicht ist dies, wenn man über die nächsten Monate hinwegblickt und das Geschäftsmodell als mittel- bis langfristig erkennt, und sorry liebe Green Community, das wird es rein aus ökonomischen Gründen auch bleiben müssen, denn sonst findet auch bald der Urlaub nur mehr im Autobahnstau statt (sofern man die Alternative eines Zweimannzelts in der Au ignoriert), eine Aktie, die durchaus mit höheren Bewertungen leben sollte.

Das Kalkül der Australier geht aber noch einen taktischen Schritt weiter. Die Erkenntnis, dass politische Aktionäre in diesen Zeiten wenig Selbstbewusstsein an den Kapitalmärkten entwickeln, ist gelebter Fakt. Die Angst als Zocker oder gar Spekulant von einer ungebildeten oder in eigenen Frustzirkeln gefangenen Internet-Community tituliert zu werden, reduziert die Gegenwehr. Der Effekt wird daher nicht lange auf sich warten lassen. Australien wird mit knapp 50% größter Aktionär, Wien und Niederösterreich bleiben bei 40%, die Mitarbeiterstiftung bei 10%, den Streubesitz wird es nur mehr in homöopathischen Dosen geben. Die Börse hat Regeln, die eine Mindestgröße für den Streubesitz vorschreiben. Diese wird dadurch unterschritten. Abstieg in den Handelskeller des Wiener Börsenplatzes die Folge. Unrühmlich und peinlich. Daher am Ende wahrscheinlich Delisting. Kontrapunkt am Schluss: wer weiß, ob sich die Politik nicht in ein paar Jahren diese Anteile wieder mühsam und sicher teuer wird zurückkaufen wollen.

Angesichts dieser Konsequenzen wächst die Erkenntnis, und das sollte fixer Bestandteil unserer Investitionsbemühungen sein, wer länger denkt und auch investiert, investiert zumeist am Ende günstig. Warum? Ganz einfach, weil er sich das Hin und Her erspart das ihn verwirrt und zu Handlungen motiviert, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.



16.08.2022

Die Macht von Zeittoleranz



Im aktuellen Hin und Her der Kapitalmärkte ist Geschwindigkeit offensichtlich Trumpf. Jede noch so kleine Information wird sofort auf Aktualität geprüft um, so frühzeitig wie möglich, den Schmetterling zu erkennen der 5000 Kilometer weiter das Gewitter erzeugt. Die Analyse des Verhaltens chinesischer Reissäcke ist mittlerweile ins Zentrum der Kapitalmärkte gerückt. Das, was dieses Verhalten bestätigt oder nicht, welche Kursreaktion daraus entsteht, ist jedoch ein Tropfen Milch gegen die Finsternis in Bezug auf längerfristige Investitionsmuster. Diese langfristig ausgelegten Investitionen, die als steter Begleiter innerhalb der Börsenliteratur bestehen und den investierten Wohlstand als Ziel haben, haben derzeit so ziemlich Pause, es sei denn man bekennt sich zum guten alten Stil eines Warren Buffet der es wohl geschafft hat dieses Langfristimage in die heutige Zeit der Kapitalmarktvolatilitäten zu retten. Obwohl der alte Knabe offensichtlich, in der Erkenntnis der Macht seiner ihm anvertrauten Dollar-Milliarden, ein knallharter Verhandler ist was ihn zu einem solch „Langfristinvestor“ zu werden erlaubt. In jedem Fall ist ein „Hut-ziehen“ am Platze. So weit muss man erst einmal kommen. Chapeau!

Der Punkt, auf den ich aber zusteuere, ist jener, der unser tägliches Kaufen und Verkaufen in Bezug auf längerfristige Bewertungsgedanken beleuchtet. Und da sieht es gerade gar nicht gut aus, weil unlogisch. Believe it or not, wir lassen uns gerade mit Wonne die Butter vom Brot nehmen.

Was so gar nicht wirklich auffällt, aber Tatsache ist, ist, dass etliche Branchen und Unternehmen die letzten Jahre, teils auch durch die vielfältigen Belastungen bedingt, Weichen gestellt haben, die ihre Ergebnisse vielleicht als kurzfristig erscheinen lassen, aber langfristig die jeweilige Firma weit tragfähiger machen als sie aktuell gehandelt, sprich vom Markt bewertet wird. Bei dutzenden Pharma- oder Biotech-Unternehmen werden beispielsweise herausragende Zahlen gemeldet, die eine Reaktion von ein paar plus-Prozenten zur Folge haben, am nächsten Tag aber mit „Gewinnmitnahme“ das Minus erklären müssen. Firmenwerte werden mit Forschungsergebnissen zu massiv höheren Bewertungen befähigt, der Markt ignoriert dies aber. Die Spezialisten allerdings erkennen dies. Die Zeit für M&A bricht daher an. Die Portokassen der großen Brüder im Wettbewerb werden gerade geöffnet.

Und wer glaubt, dies alles wäre ein US- oder branchenspezifisches Momentum, der irrt. Und zwar gewaltig. Es passiert. Und das beispielsweise gerade direkt vor unserer Haustüre. Die Wiener Börse hat, ohne es offensichtlich zu wissen, bereits schon länger zum Ausverkauf gerufen. Streubesitze werden immer dünner. Die Anzahl der Aktionäre ebenso. Eine Konzentration die zwei Seiten bildet. Eine, die das Unternehmen sieht und eine, die den Kurs als sich bewegendes Objekt im Auge hat. Die erste Gruppe hat Zeit, die andere offensichtlich nicht. Dafür ist die zweite Gruppe definitiv Liebling der Börsen, den da wird ja wild gehandelt. Das führt zwangsweise zu Gelegenheiten für die erste Gruppe, die fast immer im Nachhinein als „Ausverkauf“ tituliert werden.

So auch jetzt: Erstes Schnäppchen am Wühltisch ist unser Flughafen. Die Flughafen Wien Aktie wird gerade von einem ihrer Großaktionäre, dem australischen Infrastrukturfonds IFM, zum Ausverkauf geladen. Ein wunderbares Angebot liegt vor dem selig lächelnden Streubesitz: 25,5% über dem Kurs vor Angebotslegung. Was für ein Segen! Wer sich an 2018 oder 2019 erinnert bekommt vielleicht erste Zweifel an der Attraktivität, denn der nun angebotene Abfindungskurs entspricht gerade dem unteren Kursdrittel der damals gehandelten Aktie. Und wer auf die Bewertung blickt, der erkennt, dass ein Flughafen, und noch dazu einer ohne Schulden und modern , eine Cash-Maschine ersten Rangs ist. Dann noch quasi Monopol und schon merkt man, warum die Großzügigkeit so bitter schmeckt. Aus Investorensicht ist dies, wenn man über die nächsten Monate hinwegblickt und das Geschäftsmodell als mittel- bis langfristig erkennt, und sorry liebe Green Community, das wird es rein aus ökonomischen Gründen auch bleiben müssen, denn sonst findet auch bald der Urlaub nur mehr im Autobahnstau statt (sofern man die Alternative eines Zweimannzelts in der Au ignoriert), eine Aktie, die durchaus mit höheren Bewertungen leben sollte.

Das Kalkül der Australier geht aber noch einen taktischen Schritt weiter. Die Erkenntnis, dass politische Aktionäre in diesen Zeiten wenig Selbstbewusstsein an den Kapitalmärkten entwickeln, ist gelebter Fakt. Die Angst als Zocker oder gar Spekulant von einer ungebildeten oder in eigenen Frustzirkeln gefangenen Internet-Community tituliert zu werden, reduziert die Gegenwehr. Der Effekt wird daher nicht lange auf sich warten lassen. Australien wird mit knapp 50% größter Aktionär, Wien und Niederösterreich bleiben bei 40%, die Mitarbeiterstiftung bei 10%, den Streubesitz wird es nur mehr in homöopathischen Dosen geben. Die Börse hat Regeln, die eine Mindestgröße für den Streubesitz vorschreiben. Diese wird dadurch unterschritten. Abstieg in den Handelskeller des Wiener Börsenplatzes die Folge. Unrühmlich und peinlich. Daher am Ende wahrscheinlich Delisting. Kontrapunkt am Schluss: wer weiß, ob sich die Politik nicht in ein paar Jahren diese Anteile wieder mühsam und sicher teuer wird zurückkaufen wollen.

Angesichts dieser Konsequenzen wächst die Erkenntnis, und das sollte fixer Bestandteil unserer Investitionsbemühungen sein, wer länger denkt und auch investiert, investiert zumeist am Ende günstig. Warum? Ganz einfach, weil er sich das Hin und Her erspart das ihn verwirrt und zu Handlungen motiviert, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.