Der vergessene Verwandte
Die letzten Wochen ist es still um einen treuen Begleiter der Kapitalmärkte der letzten Jahre geworden. Die Volatilität meldet sich kaum mehr zu Wort. Der Dauergast vergangener Börsentage hat sich beruhigt. Einiges unter dem langjährigen Durchschnitt verläuft dieser so geschätzte Risikoindikator unserer Märkte derzeit in Richtung Jahreswechsel. Erinnern wir uns, das war doch schon einmal so gewesen, oder?
2018 war diese unsere Welt noch eine ganz andere. Wir sahen uns mit Donald Trump konfrontiert, China und die USA spielten mit dem Globus Monoply, und die EU war mit Brexit noch nicht fertig. Trotzdem schlummerte das Risiko an den Börsen, in Form der Volatilität, langsam vor sich hin. Die Kapitalmarktteilnehmer waren sogar emsig bemüht, selbst dieser Situation Fantasie abzuringen und so wurden die Short-Vola-Produkte reihenweise aus der Taufe gehoben. Wir erinnern uns? Ja genau. All diese Fonds, Zertifikate oder Konstrukte waren wirklich hoch intelligent komponiert und vor Allem professionellen Anlegern ins Portfolio gepackt worden. Sie waren die Monate davor auch konstanter Zuträger von Performance für diese Portfolios gewesen und schienen exakt auf die Situation der Märkte zugeschneidert zu sein. Bis es doch ein kurzfristiges Aufbäumen, quasi Lebenszeichen, der Schwankungsbreite gab und durch diesen Zucker in der Volatilität plötzlich sämtliche zuvor als so sicher propagierten und stolz gehaltenen Seile nachgaben und im Februar 2018 komplett in sich zusammenkrachten. Ein Mini-Crash wie man damals sagte. Im Nachhall der Erkenntnis aber ein ganz knapp vermiedener echter Crash, der eine Kapitalmarktinjektion von korrespondiert 6 Mrd. US$ notwendig machte.
Heute, 3 Jahre später, kräht kein Hahn mehr danach. Die Kurse von damals gelten als perfekte Einstiegskurse, die Volatilität darf wieder ein Stiefmütterchen sein. Doch die Tafel für die Auferstehung ist angerichtet. Omikron und der Run der Wissenschaft, diese Variante in ihrer Wirksamkeit zu entschlüsseln, dehnen gerade den Spannungsbogen. Und die Politik gibt ebenso den Vorspann für ein emotionales 2022 gerade vor. Ob die Ukraine oder Taiwan, ob die EU mit UK, Israel mit dem Iran oder die Trumpisten in USA, 2022 wird von Geopolitik stärker erfasst werden. Sogar die Notenbanken kommen langsam hinter dem Vorhang in Stellung. Je länger die Inflation via ver-x-fachter Energiepreise die Volkswirtschaften quält, umso eher wird von den Währungshütern erwartet „Etwas“ dagegen zu machen, selbst wenn die Geschichte der letzten 15 Jahre gezeigt hat, dass gegen politisch motivierte Preisänderungen bei Rohstoffen eine Zinsmaßnahme genau gar nichts bewirkt. Inmitten all dieser Variablen wird es uns daher nicht schwer fallen wieder stärkere Marktschwankungen zu erwarten.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Märkte nur mehr fallen werden. Im Gegenteil, sie werden stärker nach Unten, aber auch nach Oben in Relation zur jeweils dominanten Story pendeln. Ein Markt für Meinung und Analyse, Flexibilität und den Füßen am Boden.
Weihnachten, die ruhige Zeit des Jahres, als Treppenwitz der Kapitalmärkte.