16.11.2021

Institutionalisierte Parallelwelten



Wir sehen gerade an unseren Kapitalmärkten, genauso wie in unserem privaten oder gesellschaftlichen Umfeld, einen Kampf der Glaubwürdigkeit. Etliche aktuelle äußeren Umstände kollidieren gerade mit den in unseren Erfahrungen innewohnenden und trainierten Verhaltensmustern und legen uns neue Erkenntnisse und somit neue Wege auf. Es fühlt sich für Viele oft als Vorantasten im Finstern, oder zumindest im dicken Nebel an. Wie in Watte gepackt vollzieht man althergebrachte Muster, ohne dabei wie früher darin Kraft zu finden. Man tastet sich einfach weiter vor, Sicherheit als Hoffnung danach.

Bevor man glauben mag, ich würde jetzt über unser tägliches Erlebnis mit dem Impf-Diskurs schreiben, der irrt, obwohl durchaus ähnlich gelagert. Nein, es geht um die Wahrnehmung an den Kapitalmärkten bezüglich der Maßnahmen und Aktivitäten von Politik, Volkswirten und vor allem Notenbanken.

Nun, von Politik ist man wenig Kapitalmarktverständnis gewohnt, eher schon den Zwang, etwas zu tun, bevor die Wahlschlappe oder irgendeine Krise droht. Inflation wird so ein Thema werden. Bis es so weit kommt, müssen aber noch ein paar erzürnte Wählerpotentiale laut schreien oder demonstrieren. Aber die sind gerade mit Corona-Demos beschäftigt. Also politisches Pausieren angesagt.

Dagegen haben die Volkswirte schon eher Saison. Mit Fragen, wie lange denn die Inflation noch wirken würde, werden in diesen Tagen global fast alle selbst oder fremd ernannten Experten bombardiert ihre Einschätzungen zu nennen. Interessant, dass selten Einer oder Eine von ihnen jemals wirklich beim  Thema Inflation richtig lag. Irrtum als Konstante. Fast immer am anderen Ende der (späteren) Wahrheit. Nun, so ist auch der aktuelle Experten-Tenor jener, dass es nicht so schlimm werden wird und wir im nächsten Jahr bereits wieder die 2-3% Teuerungsrate sehen werden. Ok ok möge man meinen, aber wieso ist dann der Strompreis noch immer so hoch, und an der Tankstelle hat es auch schon mehr Spaß gemacht. Wenn man sich dabei noch die taktischen Lügen rund um den Gastransport in Richtung Europa anhört, beginnt man noch mehr am baldigen Preisnachlass zu zweifeln, denn dahinter stehen fast unverblümt erkennbare industrielle Interessen russischer Oligarchen, die offensichtlich unter dem Schutz Herrn Putins agieren. Denen ist „unsere“ Inflation sowieso offensichtlich egal.

In Wirklichkeit sind wir aber mit den Notenbanken in einer gefährlichen Traumrealität angekommen, die unsere Kapitalmärkte wachsendem Druck aussetzt. Wir haben an den Anleihemärkten schon seit Jahren ein ziemlich depressives Renditebild, das sich unter historischen Ertragsperspektiven mit der Realität nicht mehr in Bezug bringen lässt. Und dieses Bild wird in Zeiten deutlich steigender Inflation immer mehr belastet. In USA sahen wird die Inflation zuletzt bei 6,2% und die Bondmärkte stiegen ebenso! Eigentlich wäre eine Anpassung daran doch mit einem Rückgang zu erwarten gewesen, aber nada. Als größter Spieler im Raum gelingt es einer Notenbank natürlich, diese Erwartung durch eigenes Kaufverhalten zu torpedieren und das würde auch diesen Anstieg der Bondmärkte erklären. Aber wenn dem so ist, was kommt dann die nächsten Tage und Wochen? Irgendwann müsste doch der restliche „Markt“ aufgeben und sich anderen, vielleicht logischer unterlegten, Anlagespektren zuwenden? Die Einigkeit mit der FED, EZB und zuletzt auch der Bank of England, die diese verkehrte Investmentlogik aufrechterhalten, indem sie ihr Verhalten sogar bündeln, zeigt, unter welchem Druck auch die Notenbanken stehen. Zusätzlich spannend wird es aber jetzt, weil sich die östlichen EU-Zentralbanken von Polen, Tschechien und wohl demnächst auch Ungarn wenig darum kümmern und begonnen haben ihre Zinsen zu erhöhen. Ein Machtkampf um die Realitätshoheit inmitten der EU-Zentralbanken. Dass Jens Weidmann, als Chef der Deutschen Bundesbank vor Kurzem seinen Rücktritt angekündigt hat, passt da nur mehr dazu.

Also entweder die Inflation kommt durch einen Sondereffekt demnächst rasch herunter, oder die Notenbanken müssen sich etwas einfallen lassen. In jedem Fall wird es heuer noch einmal richtig spannend.



16.11.2021

Institutionalisierte Parallelwelten



Wir sehen gerade an unseren Kapitalmärkten, genauso wie in unserem privaten oder gesellschaftlichen Umfeld, einen Kampf der Glaubwürdigkeit. Etliche aktuelle äußeren Umstände kollidieren gerade mit den in unseren Erfahrungen innewohnenden und trainierten Verhaltensmustern und legen uns neue Erkenntnisse und somit neue Wege auf. Es fühlt sich für Viele oft als Vorantasten im Finstern, oder zumindest im dicken Nebel an. Wie in Watte gepackt vollzieht man althergebrachte Muster, ohne dabei wie früher darin Kraft zu finden. Man tastet sich einfach weiter vor, Sicherheit als Hoffnung danach.

Bevor man glauben mag, ich würde jetzt über unser tägliches Erlebnis mit dem Impf-Diskurs schreiben, der irrt, obwohl durchaus ähnlich gelagert. Nein, es geht um die Wahrnehmung an den Kapitalmärkten bezüglich der Maßnahmen und Aktivitäten von Politik, Volkswirten und vor allem Notenbanken.

Nun, von Politik ist man wenig Kapitalmarktverständnis gewohnt, eher schon den Zwang, etwas zu tun, bevor die Wahlschlappe oder irgendeine Krise droht. Inflation wird so ein Thema werden. Bis es so weit kommt, müssen aber noch ein paar erzürnte Wählerpotentiale laut schreien oder demonstrieren. Aber die sind gerade mit Corona-Demos beschäftigt. Also politisches Pausieren angesagt.

Dagegen haben die Volkswirte schon eher Saison. Mit Fragen, wie lange denn die Inflation noch wirken würde, werden in diesen Tagen global fast alle selbst oder fremd ernannten Experten bombardiert ihre Einschätzungen zu nennen. Interessant, dass selten Einer oder Eine von ihnen jemals wirklich beim  Thema Inflation richtig lag. Irrtum als Konstante. Fast immer am anderen Ende der (späteren) Wahrheit. Nun, so ist auch der aktuelle Experten-Tenor jener, dass es nicht so schlimm werden wird und wir im nächsten Jahr bereits wieder die 2-3% Teuerungsrate sehen werden. Ok ok möge man meinen, aber wieso ist dann der Strompreis noch immer so hoch, und an der Tankstelle hat es auch schon mehr Spaß gemacht. Wenn man sich dabei noch die taktischen Lügen rund um den Gastransport in Richtung Europa anhört, beginnt man noch mehr am baldigen Preisnachlass zu zweifeln, denn dahinter stehen fast unverblümt erkennbare industrielle Interessen russischer Oligarchen, die offensichtlich unter dem Schutz Herrn Putins agieren. Denen ist „unsere“ Inflation sowieso offensichtlich egal.

In Wirklichkeit sind wir aber mit den Notenbanken in einer gefährlichen Traumrealität angekommen, die unsere Kapitalmärkte wachsendem Druck aussetzt. Wir haben an den Anleihemärkten schon seit Jahren ein ziemlich depressives Renditebild, das sich unter historischen Ertragsperspektiven mit der Realität nicht mehr in Bezug bringen lässt. Und dieses Bild wird in Zeiten deutlich steigender Inflation immer mehr belastet. In USA sahen wird die Inflation zuletzt bei 6,2% und die Bondmärkte stiegen ebenso! Eigentlich wäre eine Anpassung daran doch mit einem Rückgang zu erwarten gewesen, aber nada. Als größter Spieler im Raum gelingt es einer Notenbank natürlich, diese Erwartung durch eigenes Kaufverhalten zu torpedieren und das würde auch diesen Anstieg der Bondmärkte erklären. Aber wenn dem so ist, was kommt dann die nächsten Tage und Wochen? Irgendwann müsste doch der restliche „Markt“ aufgeben und sich anderen, vielleicht logischer unterlegten, Anlagespektren zuwenden? Die Einigkeit mit der FED, EZB und zuletzt auch der Bank of England, die diese verkehrte Investmentlogik aufrechterhalten, indem sie ihr Verhalten sogar bündeln, zeigt, unter welchem Druck auch die Notenbanken stehen. Zusätzlich spannend wird es aber jetzt, weil sich die östlichen EU-Zentralbanken von Polen, Tschechien und wohl demnächst auch Ungarn wenig darum kümmern und begonnen haben ihre Zinsen zu erhöhen. Ein Machtkampf um die Realitätshoheit inmitten der EU-Zentralbanken. Dass Jens Weidmann, als Chef der Deutschen Bundesbank vor Kurzem seinen Rücktritt angekündigt hat, passt da nur mehr dazu.

Also entweder die Inflation kommt durch einen Sondereffekt demnächst rasch herunter, oder die Notenbanken müssen sich etwas einfallen lassen. In jedem Fall wird es heuer noch einmal richtig spannend.