Sherlock Holmes wäre sicher gerne Statistiker gewesen
Wir sind es ja gewohnt mit allen möglichen Datenanalysen konfrontiert zu werden. Wahlquoten, Impfquoten, Intelligenzquoten, ach ja, das wohl immer noch nicht. Aber im Ernst, die Statistik spielt in unser aller Leben eine immer größere und wichtigere Rolle. Manche fürchten sich sogar davor, denn sie greift mit ihren Analysen und entscheidungsunterstützenden Auswertungen immer stärker in unser Leben ein. Ob dies die Kundenstromanalysen von Amazon & Co sind, oder die Vorhersagen pandemischer Auswirkungen, oder auch nur die simpel erscheinende Berechnung von Inflation, die die Grundstückspreise ins Astronomische steigen lässt, Statistik erreicht uns überall. Doch jetzt staunte sogar der Kapitalmarkt über eine kürzlich veröffentlichte statistische Analyse.
Man hat errechnet, dass die Performance des US-amerikanischen Aktienmarktes die letzten 30 Jahre ein rein nächtliches Phänomen war. Ein Wertzuwachs von 10% p.a. löst sich auf, sobald man immer nur die reine Börsenzeit betrachtet. Dann nämlich tendiert das Ergebnis gegen Nullprozent. Also wer die letzten 30 Jahre sein Glück als Day-Trader an Wallstreet gesucht hat, wird es kaum gefunden haben. „Überraschung!“ möge man ausrufen. Warum schielen wir nur jeden Tag wie die Lämmer auf den Handel in Wall Street, wenn es eh keine Rolle spielt? Nun, die Antwort ist auch statistisch belegt: weil es aus europäischer Sicht sehr wohl eine Rolle spielt. Europa im Vorteil? Das klingt spannend und ist ebenso etwas ganz Neues für unsere gegenüber der Langfristperformance der USA doch so weit hinten liegende europäische Börsenlandschaft. Wir erhalten in Europa nämlich die Zeitdilatation, die in USA entsteht, wenn der Eröffnungskurs tendenziell überwiegend höher ist als der jeweilige Close des Vortages wo Europa ja schon zu handeln aufgehört hat. Tröstlich fürwahr, aber inzwischen nur mehr die halbe Medaille, denn mittlerweile hat sich das Blatt in USA zu drehen begonnen. Wer „am Markt ist“ bekommt inzwischen wieder mehr vom Kuchen ab.
Dies alles zu erklären ist sicher nicht einfach, hat aber mit den in unterschiedlichen Perioden dominierenden Management-Stilen zu tun. Lange Zeit war der passive Managementansatz präferiert. Hier wurde sehr oft mit Futures-Kontrakten oder generell Derivaten die Portfoliozusammensetzung bestimmt und da war das Geschehen unter Tags dann gar nicht mehr so wichtig, sondern mehr was rundherum in China, Tokyo oder Moskau geschah. Auch haben die Unternehmen zumeist außerhalb der Börsenzeiten ihre Ergebnisse präsentiert. Ein Umstand, der sich mittlerweile durch die gestiegene Informations-Transparenz etwas gemildert hat. Man hat schon eine relativ sichere „Ahnung“ wer wann was berichten wird. Überraschungen passieren hier seltener. Auch sind heute die dominierenden „Spieler“ die Politik und die Notenbanken. Und beide sind es gewohnt untertags zu konferieren und ihre Meinungen zu äußern. Eigentlich interessant, wie die Tagesgewohnheiten von manchen Institutionen die Wertentwicklungen am Globus vor sich hertreiben können. Bald kommt die globale Mittagspause … Scherz.
Aber keine Statistik ohne Inputfaktoren. Das aktive Management wird immer wichtiger. Und alleine diese Erkenntnis ist es wert, den ganzen trockenen Prozess zu beachten.