Aramco trifft so viele Herzen in uns
Derzeit läuft ein IPO an uns heran, das es so zuvor noch nicht gegeben hat. Aramco, die vorgeblich größte Firma der Welt, geht an die Börse. Bis zu 1700 Milliarden US$ soll die Marktkapitalisierung am Ende betragen, aber, keine Sorge, es werden vorerst nur 1,5% an die Börse gebracht. Dadurch sind es nur schlappe 25 Mrd. US$ die ins Publikum wandern.
Die Firma hat eine ziemlich „wilde“ Geschichte. Zu Beginn in 1933 (!) durch Standard Oil of California gegründet und danach via Hilfe von Texaco und Chevron zum Exportkaiser von Öl gemacht. Nachdem der Preisfaktor bei Öl „entdeckt“ und in Folge die OPEC gegründet war, wurde sie in den Jahren danach Stück für Stück vom saudischen Staat aufgekauft, in 1980 verstaatlicht und in Saudi Aramco umgetauft. Und jetzt ist es soweit, wir dürfen wieder ein Stück davon haben. Wenn wir wollen.
Interessant ist diese Emission als Struktur aber allemal, denn sie hat viele Eigenheiten und sorgt dadurch wahrscheinlich für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesem Investment als sonstige, normale Aktien.
Als Erstes ist Aramco keine normale Gesellschaft, sondern genauer betrachtet ein Investment in Saudi Arabien selbst. Nahezu 80% der Wirtschaftsleistung des Landes wird von dieser Firma gestellt. Das House of Saud ist Chef im Stall und wird es die nächsten Jahrzehnte auch bleiben. Ein Lächeln entsteht, wenn man sich eine Hauptversammlung in Riad vorstellt, die nach dem Muster von europäischen Versammlungen ablaufen dürfte. Wer die erste kritische Frage stellt wird … sicher gut betreut.
Zum Zweiten ist Aramco nicht mit herkömmlichen Mitteln zu bewerten, denn der große Wert des Unternehmens liegt in seinen Reserven und in seinen billigen Förderkosten. Beides sind enorm langfristige Unterscheidungsmerkmale und reichen Jahrzehnte in die Zukunft. In unserer kurzlebigen Börsenwelt ein Anachronismus. Also muss etwas Anderes her um die Zeichner zu motivieren und das ist zweifellos die zu erwartende Dividende. Diese soll rund 75 Mrd. US $ pro Jahr betragen und sich ab 2024 auf ein „normales“ Maß begeben (was auch immer das dann sein wird). Trotz allem Zweifel wird diese Attraktivität aber bestehen bleiben, denn als „Ersatz“ für die Dividende, die nicht mehr ins Saud-Börserl sondern ins Publikum geht werden in Zukunft die Steuern darauf erhöht (neben Steuern, die danach auch plötzlich Aramco zahlen muss. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt wenn sich eine Firma quasi selbst die Steuern verordnet).
Und last but sicherlich not least wird Aramco, trotz Bemühungen der größten Börsenplätze der Welt sie anzulocken, nur an einer einzigen Börse gelistet sein, Riad. Spannend wie sich dieser Börsenplatz, der bis dato durch seine Unscheinbarkeit geprägt war, danach entwickeln wird. So als ob Apple nur in Wien gelistet wäre. Was für ein Spaß. Als zusätzlicher Effekt ist mittlerweile die Tatsache entstanden, dass bewusst Präsentationen ins USA, Canada und Japan ausgelassen wurden. Auch London und einige europäische Metropolen wurden bereits von der Präsentationsliste gestrichen. Es soll vornehmlich eine Emission für das arabische Publikum entstehen. Bis zum 5. Dezember wird es also noch heißer hergehen als sonst in Arabien, denn dann wird der Preis, der Emissionskurs, festgesetzt.
Zuletzt ist sicherlich auch interessant, dass das Geld, das das Saudische Königshaus damit einnehmen wird, in Zukunftsprojekte außerhalb des Ölgeschäfts investiert werden soll. Sicher gut für eine Diversifikation des Wirtschaftsraums Saudi Arabien, typisch aber wieder für diese ungewöhnliche Emission, nicht in ihr eigenes Geschäftsmodell investieren zu wollen.
Am Ende noch ein gewisser Zynismus: im Islam ist das Vereinnahmen von Zinsen verboten. Es gibt ein paar Umgehungen aber islamische Bonds, die so genannten Sukuks, tragen keine Zinsen. Verboten ist verboten. Es fällt mir schwer hinter der Aramco-Emission etwas anderes als einen Saudi-Bond zu sehen …