Rohstoffe kennen keine Langeweile
Die Erwartungshaltung ist gering. Die Wirtschaftsnachrichten beschäftigen sich mit Zollkriegen, Politverrenkungen und Wahlergebnisanalysen, die sich um die dritte Dezimale hinterm Komma mehr kümmern als um Fiskalpolitik oder Bereinigung von bestehenden Dummheiten. Rohstoffe werden pauschal als Verlierer dieses Ganzen gefühlt. Und doch ist nicht alles tot was aus der Erde kommt.
Der Preis für Eisenerz macht es vor. Mit bereits rund 50% Preisanstieg heuer ein offensichtlich gesuchtes Gut. Nickel macht es seit Juni nach und ist bereits über 60% höher enteilt, und wer die Ableitung dieser ganzen Entwicklung sucht, der möge sich angesichts der Frachtraten für entsprechende Transportschiffe am Kopf kratzen, die stehen nämlich aktuell mit gut 34.000 US$ pro Tag am 10-Jahreshoch.
Doch während es im Lande der Stahlkocher die höchsten Rohstoffpreise gibt, fallen bei den hochgejubelten Schiefergasproduzenten gerade die Hoffnungen in den Keller. Shale-Gas sinkt auf den tiefsten Stand seit drei Jahren hinab. Grund liegt eindeutig in der euphorischen Produktion. Auf der Suche nach dem begehrten Schieferöl das mittlerweile die USA zum größten einzelnen Ölproduzenten am Globus gemacht hat, bekommt man ja immer zuerst das Gas serviert. Noch vor ein paar Jahren wurde dieses entweder abgefackelt oder, o weh, es entwich in die Atmosphäre. Jetzt hat man die notwendigen Transport und Speicherkapazitäten geschaffen, Verflüssigungsanlagen gebaut und kann es als LNG (Liquid Natural Gas) endlich dem Rest der Welt verkaufen. Nur hat dieser Rest so ziemlich reichlich von natürlichem Erdgas und deswegen fallen hier und da die Preise. Mittlerweile hat sich der Preis für Erdgas heuer bereits um 47% reduziert. Vorerst kein Ende in Sicht. Vielleicht eine Idee für Europas Automobilindustrie, die im hintersten Regal vor sich hin verstaubenden Erdgas-Motoren auszupacken, deren CO²-Effizienz samt Wirkungsgrad auch vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichten der Elektrizität für die so sauberen Elektroautos zu betrachten und die ökonomische Variante einmal der stumpfen Grünvariante vorzuziehen. Bis dahin werden wir uns aber mehr um Nord Stream 2 oder Onkel Donalds LNG Lieferungsforderungen Gedanken machen müssen. Politik eben.
Die letzte Rohstoffgröße, die noch vor einigen Jahren als DER Indikator für Wirtschaftsentwicklung gegolten hat, musste in den letzten Jahren deutlich Federn lassen. Kupfer ist vorerst seinen glänzenden Performancestatus losgeworden. Die -3% seit Jahresbeginn trösten nicht darüber hinweg, dass man seit Mai 15% verloren hat und seit einem Jahr über 20%. Das schrumpfende Neubaugeschäft schlägt tiefer zu als die Hoffnung auf Elektromobilität und die dafür benötigten Motoren.
Bleiben noch die Edelmetalle, die im Topf der Rohstoffe immer wieder genannt werden. Und hier glänzt das Bild wieder. Gold, Silber, Platin alle deutlich zweistellig im Plus. Allein Silber seit Mai +32%.
Und die Erklärung all dieser Bewegungen? Es liegt auf der Hand, dass die künftige globale Wirtschaftserwartung derzeit wenig positiven Einfluss auf die Preise ausübt. Die wenigen preistreibenden Effekte sind auf Sondersituationen wie Naturkatastrophen oder Herden-Einkaufsverhalten insbesondere Chinas zurückzuführen. Ergänzt wird dies alles durch die Suche nach Werterhalt in einem immer größer werdenden Universum negativ rentierender Anleihen.
Indirekt proportionale Wertetoleranz könnte man das nennen.