Willkommen im Ga-Ga-Land
Entsetzen und Verwirrung überall. Kopfkratzen im globalen Dorf. Die Märkte bekommen Adjektive sehr persönlicher Natur. Höflichkeiten dabei Mangelware. Jeder gegen Jeden. Die pauschale Vermutung wer denn der oder die Schuldigen sind, treibt ganze Analysten- und Brokerhorden umher. Nichts ist mehr scheinbar wie es vorher war.
Die Aktienmärkte Europas sind nunmehr im neunten Monat unter Druck. Jene der USA scheinen stark zu sein, sind es aber nicht. Manche Sub-Indices liegen teilweise noch ärger als Europa oder gar Asien am Boden. Der Spalt zwischen Growth und Value auf historisch ungesehenem Terrain, so groß. Jener zwischen Small-Caps und Large Caps in USA „normal“, in Euroland auf Adjektiv „fassungslos“ reduziert. Die Börsen tendieren alle zu einer individuellen Erklärung, in Europa der Brexit oder Italien, in Asien der Handelskrieg (weil Streit ist das mittlerweile keiner mehr) und in den USA übt man sich, der FED die Schuld zu geben. Alles richtig und doch völlig falsch.
Es ist in Wirklichkeit der Anleger und Investor der das Sentiment entscheidet, nicht ein Analyst oder Volkswirt, Notenbanker oder Lokalpolitiker. Und diese Anleger haben eines gemeinsam: sie wollen endlich Ruhe haben. Nicht immer wieder durch Politik ins Straucheln gestoßen zu werden, durch damit verbundene Assetklassen wie Währungen oder auch Kreditratings andauernd die Allokationsentscheidungen abändern zu müssen. Nicht permanent mit einem Ohr auf populistische Interpretationen zu hören, das lange geübte Vertrauen in die Politik zerbröseln zu fühlen. Let’s face it, wir haben es in eine Zeit geschafft in der der dümmste Politiker die größte Aufmerksamkeit bekommt. In der der aggressivste Satz, so blöd und falsch er auch ist, die weitesten Kreise in den Märkten zieht. Bis noch vor einigen Monaten, exakt bis Jänner, waren solche Politmanöver gerade ein mildes Lächeln wert. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Und es wäre angebracht darüber nachzudenken ob sich das nicht schleunigst ändern sollte (und auch wird).
Das Timing liegt auf der Hand. Mit dem „America First“-Slogan. Jenes „Emoticon“ das quasi wie der geistige Notausgang eines ob seiner eigenen Glaubwürdigkeit in Bedrängnis geratenen US-Präsidenten in unsere Wahrnehmung gepresst wurde, hat eine Türe an den Kapitalmärkten aufgestoßen die sich seither nicht mehr geschlossen hat. Der Dummheit und der Schlagzeile gehört mittlerweile die Welt. Die Claqueure eines Donald Trump reihen sich mittlerweile nahtlos in die dumpfen Wähler einer AfD und ähnlicher Parteien in Europa ein. All jenen ist der Ruf nach „Gerechtigkeit“ anheim. All jene haben keine Ahnung was das wirklich ist, aber alle wollen es an der Spitze der jeweiligen Machtstruktur selbst und für andere bestimmen. Das Problem dabei ist, dass die Kapitalmärkte viel schneller und auch viel intelligenter sind als so mancher Bauer aus Apulien, der Puszta, Wales, Texas oder dem Marchfeld. Sie sind darauf trainiert, quasi verdammt dazu, alle Möglichkeiten und Varianten vorab auf deren Wahrscheinlichkeit zu prüfen und entsprechend danach zu gewichten. Kennen wir. Sind selbst darin geübt. An Fundamentaldaten groß geworden kratzen wir uns am Kopf. An der Politik gescheitert? So wie ein Supercomputer nicht den Idioten erahnen kann, wir als Autofahrer den Vertrauensgrundsatz haben müssen, weil es sonst nicht funktioniert, und auch in der Finanzmathematik mit Annahmen leben müssen, die die Planbarkeit unterstellen ohne planbar zu sein sind wir hilflos, wenn logische und vernünftige Schlussfolgerungen nicht und nicht in der Politik ankommen. Und mit jedem frenetischen Jubel für Jene, die so offensichtlich wie nur geht, lügen, beschimpfen und tricksen werden unsere so logisch und vernünftig ausgerichteten Kapitalmärkte immer volatiler und erratischer. Am Ende, und da dürften wir inzwischen angekommen sein, werfen etliche das Handtuch und seilen sich ab. Insbesondere jene, die die „intellektuelle Speerspitze“ unserer Märkte darstellen. Die Hedgefunds.
Das sind nicht unbedingt diese „Spezialisten“ die ziemlich ungeniert noch fest in all das Gemetzel hinein-shorten um nur ja die Nerven der „dummen“ Long only Investoren (die innerhalb der EU gar nicht anders dürfen als „Long only“ zu sein) zu strapazieren, nein, es sind die großen Global Macro Fonds, die ihre Wetten gegen ganze Nationen oder Währungen richten. Diese Fonds sind in einer ganz anderen Liga. Sie spielen die Welt. Und ob man es glaubt oder nicht, sie spielen diese Welt gegeneinander aus. Basierend auf Kalkulationen, wie weit oder wie rational Politik agiert, werden Trends investiert oder Märkte gehandelt. Das Problem potenziert sich aber, wenn genau diese Politik nicht mehr planbar wird. Weil natürlich gesetzte Grenzen der Logik, des Verantwortungsbewusstseins und auch der reinen Strafgesetzgebung einfach übergangen werden. Wenn ein US Präsident mit seinen nachweislich dummen und nahezu faschistoiden Behauptungen bezüglich Handelsbedrohungen den Globus, samt und paradoxerweise insbesondere die USA, in eine wirtschaftliche Schlechterstellung drängt, wenn europäische Politiker die Instrumentalisierung von Minderheiten zum Vorwand für die Umgehung wirtschaftlicher Gesetzesvorgaben erklärt, wenn die EU sich im Windschatten von Brexit mit opportunistischen Störenfrieden im eigenen Lager auseinandersetzen muss, wenn inmitten der Kern-EU sich nahezu 8 Millionen Menschen lautstark an „das gute Alte“ erinnern, wenn Zäune gebaut werden und man dabei riesen Applaus bekommt, wenn man nichts macht und dies als Intellekt verkauft, wenn man volksschulartige Budgetpläne als genial präsentiert und trotz Kritik stur dabei bleibt, dann und nur dann geben die Superstars auf. Dann wird die Berechenbarkeit, die man in seinem Geschäftsauftrag innehat, obsolet. Dann verkaufen diese Global Macros. Sie sind fertig, geschlagen. Das Ga-Ga-Land hat gewonnen.
Nun, für uns, die wir als hartgesottene Investor(inn)en ja schon des Längeren so manche Politik verarbeiten durften ist dies alles genauso wenig angenehm. Wir habe nur einen Vorteil, wir sind nicht so gierig wie die anderen, die „G´scheiten“, die Superstars, die mit den Millionen-Boni und der Titelseite am Times Magazine, wir haben keinen Leverage. Wir sind als so oft belächelte „long-only“ Investor(inn)en in der glücklichen Lage exakt jene Aktien vor uns zu sehen, die wir auch verantworten. Sie zu analysieren und mit den CEOs zu sprechen im gegenseitigen Vertrauen. Wir wissen daher welche Firma wie tickt. Was wahr ist und was der Markt übertrieben oder einseitig interpretiert. Klar leiden wir „wie Sau“ wenn genau diese Werte, die wir hundert Mal besprochen, analysiert, auf Bewertung geprüft, dem Management in die Augen gesehen und „in guten wie in schlechten Zeiten“ zugehört haben, plötzlich aus dem Nichts fallen - aber uns bleibt die Basis der Investition, nicht ein zusätzlich aus Profitmaximierung gehebeltes Risiko.
Wir werden daher wieder diejenigen sein, die dann, wenn die Großen und genialen Superstars ihre Investments heruntergefahren haben (so wie sie es die letzten Tage und Wochen getan haben) mit den guten alten Hausaufgaben genau diese „Masters of the Universe“ in den Schatten stellen. Diese Tage sind es, die uns stark machen. Wenn sich die Bewertung der Börse als richtig und die Wachstumsannahmen als valide herausstellen. Viele Börsensprichworte verwenden die Algorithmen des Krieges: Front, Kanonendonner, Kampf sind so einige davon. Kaum jemand spricht aber vom David gegen Goliath in diesem Zusammenhang. Vielleicht weil David hier gar nicht so selten gewinnt … In all dem Chaos lichtet sich der Nebel an den Märkten bereits und dahinter sieht es dann wieder richtig, richtig gut aus.