Am Beckenrand
Es tut sich was in den Bondmärkten. Diesseits und jenseits des Atlantiks werden Bondhändler, Investoren und Emittenten immer nervöser. Die Aktienmärkte wirken davon kaum betroffen, sind aber genauso fokussiert auf das Geschehen im Land der lauten Worte und der sichtbaren Wirtschaftserholung, USA. Die aktuelle Ruhe täuscht. Hinter den Kulissen stehen die Meisten bereits in ihren unterschiedlichen Startlöchern.
Wenn man Börsenstatistiken glaubt - und wer das diesmal nicht tut, brauch schon gute Gründe dafür - dann sind heute in den US-Treasuries so viele Positionen leer verkauft wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als 10% des Marktes sind demnach short positioniert. Wäre das eine österreichische Aktie, es wäre den meisten egal, aber 10% des größten Anleihemarktes der Welt, das ist schon was! Und diese Bondinvestoren sind keine Dummen Zocker, die sich einen Spaß daraus machen Geld zu verlieren, nein das sind Investments aus Überzeugung. Die Annahme, dass in den USA die Renditen steigen werden trägt diese Investments. Und diese Annahme ist begründet. Die FED hat die für Mittwoch erwartet Zinserhöhung nahezu als fix erscheinen lassen. Weitere sollen dieses Jahr folgen. Das Wording der FED wird bis ins Kleinste zerlegt werden um Klarheiten zu schaffen. Spitz auf Knopf die Folge.
Spitz bedeutet, dass die Zinserhöhungen jetzt erst starten und einen Zyklus der Renditeanstiege einleiten, Knopf, dass das alles viel zu überstürzt sei und das aktuelle Niveau eingefroren werden soll bevor noch bessere Daten eine Abkehr empfehlen. An sich nicht so ungewöhnlich, bei obiger Positionierung wird die Marktreaktion aber in jedem Fall deutlich sein. Was dann nämlich folgt ist die Statistik. Und die sagt, dass so ziemlich genau sechs bis maximal 12 Monate nach der FED die EZB in die gleiche Kerbe schlägt. Und wer dies unterstellt, der positioniert sich gleich, damit in sechs Monaten keiner vor einem in der Schlange steht. Die Konsequenz: in Europa agiert man mittlerweile genauso nervös.
Jetzt offenbart sich durchaus ein (für Viele gar nicht so unangenehmes) Dilemma: springt man gleich ins Wasser und erkennt dann ob es kalt oder doch angenehm ist oder lässt man anderen den Vortritt um an deren Reaktion den Zustand zu erkennen. Die Analogie zum Freibad drängt sich auf. Wenn die Sonne immer stärker brennt und man Erfrischung sucht, kann man mit einem Satz ins Nass den Herzinfarkt riskieren oder die rasche Erleichterung finden. Oder man löst den Konflikt anders, in dem man sich innerlich kühlt. Eisstände leben davon. Dieses „Eis“ der europäischen Bondmärkte ist das Kaufprogramm der EZB. Jedes Mal, wenn es brenzlig wird, hat Mario Draghi immer wieder in die Tasche gegriffen und den volatiler werdenden Bondmärkten ein paar Milliarden entzogen. Schon war wieder Ruhe. Heuer wird es aber wahrscheinlich nicht mehr so einfach sein. Die Frage nach einem Zinsanstieg auch in Europa wird immer lauter gestellt. Interessanterweise haben die Aktienmärkte aber diese Bewegung gar nicht einmal so sehr zum Schicksal erkoren. Die wirtschaftliche Erholung zählt da offensichtlich doch viel mehr. Und die Differenz zwischen Bondrenditen und Dividendenrenditen ist nach wie vor absurd verkehrt. Da können die Bondmärkte noch ein Weilchen aufholen bevor‘s die Aktien juckt, könnte man interpretieren.
Aber vielleicht brauchen sie das noch gar nicht tun. Denn inzwischen wird bereits wieder mit sinkender Inflationserwartung argumentiert, nachdem die Rohstoffpreise zuletzt wieder geschwächelt haben. Und das Kaufprogramm der EZB wurde ja auch bis Dezember offiziell verlängert. Und die Bankenkrise in Italien ist auch noch nicht gelöst. Warum also die Zinsen erhöhen und damit die Renditen?
„Gelati, Geeelati!!!“