Die Nase an der Scheibe plattgedrückt
Wer sich an den Film Victor & Victoria von Blake Edwards erinnert, dem wird vielleicht auch die Szene einfallen in der die hungrigen Julie Andrews und Robert Preston, mit den Nasen an der Glasfront eines Restaurants, Pläne schmieden. So, oder so ähnlich kommen mir mittlerweile einige Investorengruppen vor wenn sie den Aktienmärkten tatenlos zusehen müssen.
Das europäische Regulativ, ob Basel III oder Solvency II, hat inzwischen etliche vormals kühne Aktieninvestoren zu zahmen Rentenbefürwortern und Hütern von Bondportfolios werden lassen. Die tägliche Zerreißprobe zwischen Regulativ und Marktchance, zwischen formalistischem Fakt und Logik in der Renditekalkulation hat vielerorts zur Änderung von Verhaltensmustern und Einschätzungen geführt. Der Staat, der Regulator hat gewonnen. Das De-Leveraging des Finanzsektors wurde kräftigst betrieben, die vormalige Eigenständigkeit der Finanzwerte zunehmend thematisiert, Geschäftsmodelle dem Regulativ angepasst.
Dies führte bei Ansparprodukten vereinzelt zu einer Belastung von Reserven weil historische Ertragserwartungen teilweise noch stark in diesen Produkten verankert waren. Diese Reserven durften immer mehr für die Differenz zur Realrendite herhalten, sofern es nicht gelang, äquivalent Kosten zu sparen oder die Ertragsversprechen umgehend zu ändern. Was zu spüren ist, ist der immer stärker werdende Wunsch, die Sinnhaftigkeit von Regularien zu hinterfragen die ganze Industrien in ertragslose Investments zwingen und sie gleichzeitig in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken, in ertragreiche Investments zu veranlagen. Es wirkt wie Zynismus, wenn man sich die aktuelle Situation vor Augen führt: aus „sicheren“ Kapitalanlagen kommt kein Ertrag sondern Belastung, Kosten müssen daher in doppeltem Tempo gespart werden, gleichzeitig werden etliche Produkte uninteressant, Kunden werden kritischer und über allem schwebt ein permanenter Melde- und Administrationsaufwand all dieser Vorgaben. Wahrlich kein Ruhekissen. Eine Herkulesaufgabe.
Kein Wunder daher, wenn man mehr und mehr den Ruf nach einer Auflockerung vernimmt. Der Wunsch wieder in positive Renditen investieren zu können wird immer stärker hörbar. Wie am Glas des Restaurants mit vor Hunger krachendem Magen, im Wissen ob der Köstlichkeiten auf der anderen Seite. Es wird nicht mehr lange dauern und Regulatoren und Politik werden sich intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Was sonst droht ist eine Konsolidierung auf Basis der Reserven. Wer noch am meisten Speck hat, der übernimmt, und hat somit etwas Zeit gewonnen. Aber auch das wird nicht lange gehen, denn am Ende steht noch immer der Kunde. Und der will was ihm versprochen wurde. Wenn er es nicht bekommt, weil es sich niemand mehr leisten kann, wird er reagieren. Und diese Reaktion wird sich nur am Beginn gegen die Anleger-Industrie wenden, die kann ja wenn man wirklich ehrlich ist kaum etwas dafür, danach kommt die Politik. Der Grad der Informationsdichte bestimmt die Reaktionsgeschwindigkeit. Ob man DAS wirklich will?