Die Suche nach den Geburtsstunden von Trends
Trends sind wirklich nett. Man braucht scheinbar nicht mehr jeden Tag neu nachdenken und die Argumentation der Erwartung künftiger Entwicklungen geht einem im Verlauf auch immer leichter von der Zunge. Dazu kommt die Statistik, die einem, im Nachhinein natürlich, gnadenlos vorrechnet was man denn nicht alles gewinnen oder verlieren hätte können, wenn man am Boden oder Top „rechtzeitig“ ein- oder ausgestiegen wäre. Kein Wunder, dass man genau diese Zeitpunkte sucht an denen Trends entstehen oder drehen. Und einen solchen Turningpoint scheint es derzeit zu geben, bzw. wird einer herbeiargumentiert.
Die Rede ist vom Ölpreis. Geflutet von Arabien über Venezuela, Nigeria und Russland leidet der Ölpreis seit Monaten nicht zuletzt aufgrund der exzessiven Schieferölproduktion in den USA. Diese in den letzten Jahrzehnten zu einer der stärksten globalen Ölressourcen entstandene Produktionstechnik steht zu einem guten Teil hinter dem aktuellen Wirtschaftswachstum Nordamerikas. Die dortige Überproduktion wird auch als ein Belastungsfaktor für den Ölpreis gesehen. Und letzten Freitag wurde ein deutliches Abflachen der dortigen Bohrtätigkeit gemeldet. Die Märkte reagierten sofort. Öl stieg um bis zu 8%.
Wer jetzt glaubt, einen Trendwechsel bereits vor sich zu sehen muss wohl ein wenig relativieren. Im Schnitt werden bereits seit acht Wochen jeweils zwischen 40 und 50 weniger Bohraktivitäten (Rigs) gemeldet. Am Freitag waren es für den Jänner plötzlich 94. Etwa doppelt so wenig als zuvor. Relativ wird es aber, wenn man sich die verbliebene Anzahl der Rigs betrachtet: 1.223 für’s Öl und 1.553 für Öl und Gas gesamt sind es nämlich immer noch. Anders gesagt, rund 7,1% Öl-Rigs und 5,5% gesamt weniger. Vom Top im Dezember wurden somit erst knapp 20% sämtlicher Rigs geschlossen. Jetzt sieht das nicht mehr nach so vielen aus. Die Brisanz der Aussage, erklärt sich aber im Umstand, dass nach Schiefergas oder -Öl zu bohren eine hohe Permanenz an Rigs erfordert, weil die Ergiebigkeit dieser Bohrlöcher relativ rasch versiegt. Eine Reduktion der Bohrtätigkeit bedeutet daher eine geringere Versorgung in einigen Monaten. Und erst dies erklärt den starken Ölpreisanstieg vom Freitag. Der war nämlich auf die künftige Preiserwartung in einigen Monaten ausgelegt und einige Marktteilnehmer die auf weiter fallende Preise spekuliert hatten drehten ihre Investments. Ein Zeichen wie sensibel die Märkte in diesem Punkt derzeit sind, denn es ist bei Weitem nicht gesagt, dass Russland oder Saudi Arabien deswegen zu Pumpen aufhören, dass sich über Nacht die übervollen Lager entleeren oder die Konjunktur massig anspringt und im Hunger nach Energie jeden Preis bezahlt. Da werden die Herren Putin und Tsipras auch noch ihr Scherflein beitragen. Der Eine, weil ihm sowieso alles egal ist und er glaubt ohnehin schießen und pumpen zu können wo und wann er will und der Andere, weil er gerade in seinen obersten Punkten im Wahlprogramm weniger vor der eigenen Türe die Null-Steuer-zahlenden-Milliardäre zusammenkehrt, sondern einfach die EU als Generalbösewicht zum Forderungsverzicht auffordert. Andernfalls Chaos. Eh klar. Konjunktur zum Vergessen als Begleitdrohung.
Ein Trendwechsel also, der sich im allerbesten Fall, erst dann wenn sich die anderen Begleitumstände anpassen, als ein solcher entwickeln wird. Die Statistik wird’s uns schon dekursiv mitteilen. Ein Umstand aber, der einem wenn nicht Hoffnung so Erwartung gibt frühzeitig an einer Trendwende profitieren zu können. Aktienmärkte nehmen in normalen Zeiten rund sechs Monate vorweg. Aus diesem Blickwinkel passt die Argumentation der Preisentwicklung wieder. Somit ein doppelt gutes Zeichen für den Zustand unserer Märkte.