Die guten Seiten der Geisterbahn
Wer behauptet in diesen Tagen Langeweile zu verspüren, der hat wohl selten starke Nerven oder ihn interessieren Börsengeschehen oder Weltpolitik nicht. Denn was die Kapitalmärkte in den letzten Wochen an Geopolitik zu verarbeiten hatten und dies auch taten war schon von seltener Intensität. Ohne gewichten zu wollen eine kurze Aufzählung der „Best of Bad News“: Ukraine-re-re-reloaded, Libyen-reloaded, Syrien-perpetuum, Argentinien-Geschichte wiederholt sich, Irak-Terror breeding, Israel-blutige Emotionen, EU-Sanktionen-die Suche nach dem Sinn, Banco Espirito Santo-gefallener Stern und das Hypo Gesetz wird auch noch durchgewinkt. Gut, dass alle fast auf einmal kamen, denn jede einzelne hätte genug Unruhepotential für laue Börsenzeiten gehabt. So haben wir eben alles auf einmal verarbeiten dürfen. Haben? Haben.
Kapitalmärkte sind in sich logisch auf Wahrscheinlichkeiten aufgebaut. Dort wo die größten Wahrscheinlichkeiten hin tendieren, dort ist auch der Markt. Die Logik sorgt für eine adäquate aber auch schnelle Aufarbeitung. Das passt auch zur so oft zitierten „Gier“ der Marktteilnehmer. Dabei ist es in Wirklichkeit keine „Gier“ im herkömmlichen Sinn, es ist der Wunsch, die Pflicht, schneller zu reagieren um nicht der Letzte zu sein. Denn der Letzte, wie wir wissen, kauft am teuersten oder verkauft am billigsten. Und welcher Anleger wünscht sich schon Manager seines Vermögens, die zwar immer auf der richtigen Seite, aber immer im falschen Timing sind. Und jetzt kommen wir zur Geisterbahn.
Das Kalkül erschreckt zu werden, obwohl wir ja fix damit rechnen dass es zumindest versucht wird, lässt uns in die Höhlen der Geisterbahnen fahren, und wir warten gespannt von welcher Seite irgendeine „furchterregende“ Überraschung uns ereilt. Die Nebennierenrinde jubelt wenn sie das Adrenalin ausschütten darf und wir im unterdrückten Fluchtreflex den plötzlichen Schrecken verarbeiten. Das Lachen danach wird oft als versteckter Angstschrei erkannt, wenn es einem nicht im Halse stecken bleibt, denn dann dauert die Verarbeitung nämlich noch an. Je schneller man aber die Ereignisse verarbeitet, umso schneller ist man wieder bereit zu agieren und das macht Geisterbahnen ja bei vielen so beliebt. Man überwindet den Schreck. Ähnlich bei den Kapitalmärkten, auch wenn es da hin und wieder sogar auch positive Überraschungen gibt. Das emotionelle Momentum ist aber, wie viele oft spüren, vergleichbar. Kapitalmärkte in ihrer finanziellen Logik sind zwar weniger spaßorientiert, aber gerade deswegen fordern sie von aktiven Managern unbedingten Lösungswillen. Damit man schnell reagieren kann und damit man auch Herr über seine Investments bleibt. Nach dem Motto, wer sich schrecken lässt vergisst zu denken, verarbeiten statt davon laufen ist die Maxime. Und im aktuellen Stakkato der Bad News ist Verarbeitungsvermögen Key. Die Antizipation des Kommenden ist es, was uns in diesen Phasen immer wieder so schlecht schlafen lässt, uns aber auch zwingt den Weg zur Lösung zu finden. Ein Kreislauf der Verarbeitung. Und diese Verarbeitung betreiben wir die letzten Wochen enorm intensiv, quasi als Dauerpassagiere im Training der Kapitalmarktgeisterbahnen. Das Schlechte daran ist, dass man keine Zeit hatte zu rasten, das Gute, dass die Verarbeitung rasch zu erfolgen hatte. Wer bremst verliert.
Was die Geisterbahn so populär macht ist, dass man ja weiß, dass alles darin nur Tricks und künstlich ist. An den Märkten passiert dagegen alles auf realen Ereignissen. Was die Märkte aber zu thematisch Verbündeten macht ist, dass das ökonomische Ziel der Wirtschaftssysteme sich im Gleichklang mit jenem der Investoren befindet und in ertragreichem Wachstum besteht das uns Allen zu Gute kommt. Dann, spätestens dann, haben wir die Geisterbahn der Kapitalmärkte wieder verlassen und können endlich erleichtert auflachen.