Der Arbeitsmarkt als heimlicher Mittelpunkt
Die letzten Wochen und Monate haben wir uns so oft um das Befinden verschiedenster Notenbanken, „Tapering“ und diverseste Schutzschirme kümmern dürfen. Fast ist einem schon schwindelig davon, da die Märkte bereits jede Interpretationsmöglichkeit für kurzfristige Bewegungen benutzen. Doch mittlerweile etabliert sich eine immer wichtiger werdende Kernkomponente der jeweiligen Argumentation, der Zustand des Arbeitsmarktes.
So war in den USA bis dato das Erreichen einer Arbeitslosenquote von 6,5% für die FED das höchste Diktat. Inzwischen beginnt man sich in der Dialektik aber zu erweitern und so meinte Janet Yellen angesichts der letzten Quote von 6,97%, dass man wohl auch auf den Gesamtzustand des Arbeitsmarktes achten möge. Konkret: selbst wenn die 6,5% unterschritten werden ist noch lange nichts paletti. Ein enorm wichtiger Satz, denn damit wird bestätigt, dass die aktuelle Quote nicht den gesamthaften Zustand des Arbeitsmarktes widerspiegelt und sich daher auch die Aktivitäten der Fed noch nicht so wirkungsvoll erwiesen haben wie erhofft. More to stay. Tapering verliert sein Drohpotential.
Wie wichtig ein guter Arbeitsmarkt für die Wirtschaft ist, ist vor allem in den USA erkennbar. Steigender Konsum, höhere Lebensqualität, Wohlstand, Entwicklung, Zufriedenheit und weniger Aggression sind direkter als anderswo mit der Beschäftigung verbunden. Ist aber auch für jedes andere Land der Welt als Beispiel für seine eigene Ökonomie anwendbar. An den Kapitalmärkten gilt die Erfahrung, dass die US Konjunktur rund 6 Monate dem Rest der Welt voraus läuft und man stellt sich jedes Mal umgehend auf dortige Veränderungen ein. Der „leading-indikator“ Wall Street ist dadurch begründet. Natürlich liegt nach wie vor das meiste Kapital in USA und die Gemütsverfassung der dortigen Investoren wird logischerweise auf den Rest der empfangsbereiten Märkte abfärben, aber ohne fundamentalen Konnex hätte das in der Vergangenheit nicht lange Bestand gehabt. Es gibt ihn also, diesen Blick in die Zukunft. Und das trifft derzeit ganz besonders auf Europa zu.
Europa war zuletzt stark divergent in seinen einzelnen Arbeitsmärkten. Durch den Erfolg der europäischen Peripherie werden diese inzwischen mehr und mehr gleichförmig. Die Kernstaaten haben steigende, die Peripheriestaaten sinkende Arbeitslosenzahlen. Das Ziel aller ist natürlich generell tiefere Quoten. Die Argumente liegen auf der selben Hand wie oben in USA. Dazu kommt aber in Europa eine nach wie vor stark restriktive Kreditvergabe, die das gesunde Wachstum bremst. Das Motto, die (erwünschte) Reaktion: zuerst das Ersparte aus der Matratze holen, Konsum aus der Krise. Trifft natürlich auf Staaten wie Österreich mit einer soliden Sparquote und einem beruhigenden Privatvermögen durchaus zu, ist aber gefährlich, wenn es um eine generelle europäische Politik geht. Bedeutet am Ende nämlich die Vertiefung der berühmten Zwei-Klassen-Gesellschaft, denn Europas Peripherie hat diese Reserven im Privatkonsum derzeit noch nicht wieder geschaffen.
Bevor es soweit kommt, glauben die Märkte aber weiterhin an eine Parallelität zu den USA, wo die wirtschaftliche Erholung auch den Arbeitsmarkt stimuliert. Die US-Probleme Langzeitarbeitslosigkeit und statistische Unschärfe bleiben zwar bestehen, werden aber mehr und mehr adressiert, verlieren dadurch ihre Schleier und öffnen sich der Bearbeitung. Das Thema Wachstum wird somit auch tiefgehend und nachhaltig adressiert. Ein positives Vorzeichen für die Bildung eines stabilen Aufschwungs. Und wenn Europa der US-Entwicklung hinterher läuft, so ist das nicht schlecht und ein Indiz warum Europas Börsen derzeit so im Fokus stehen.