15.02.2011
Die jubelnden Ägypter im Hauptabendprogramm sind Beweis für den Aufbruch in eine neue Ära. Ihre Revolution scheint allein aus tiefer sozialer Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit entstanden zu sein. In Wirklichkeit haben sie überwiegend Hunger.
Die aktuellen Agrar- und Lebensmittelpreise enttarnen eine dramatische Situation. In den letzten zehn Monaten stieg der GSCI Agricultural Spot Index um 96%. Die Lebensmittelkosten in Nordafrika liegen in manchen Staaten bereits bei über 70% des durchschnittlichen persönlichen Einkommens. Während wir uns über Spritpreise ärgern, wissen Millionen Familien nicht, wie sie Einkommen und Nahrungsbedarf aufeinander abstimmen können. Die Unruhen in Nordafrika werden aus diesem Umstand heraus plausibel, insbesondere deswegen, weil das Problem der Importabhängigkeit, vor allem von US-Getreideimporten, durch strikte Verweigerung von Agrarreformen stets virulent blieb.
Wer jetzt in einer Art Reflex den Finanzmärkten die Schuld am Anstieg der Lebensmittelpreise gibt, der dürfte sich irren. Zwar sind Finanzinvestments in Agrarderivate, und nur in Solche macht Investieren überhaupt Sinn, wenn man sich nicht ein paar Tonnen Mais ins Wohnzimmer leeren will, gestiegen, aber nicht so stark, um die enormen Preisanstiege rechtfertigen zu können. Es ist nämlich weit einfacher, Rohöl irgendwo zu bunkern und darauf zu handeln, als die mancherorts recht komplexe und daher auch teure Zwischenlagerung von Agrarrohstoffen für seine Finanzkunden zu übernehmen. Da kann man viel einfacher gleich in Aktien investieren, die via Land, Saatgut oder Düngemittel am Boom partizipieren. Nein, es ist unser neues Wirtschaftswachstum, das uns aufisst. Insbesondere Asiens Dynamik bringt nicht nur Wachstum, sondern auch den Drang nach mehr und qualitativerer Ernährung mit sich. Man weiss im Land der aufgehenden Sonne, dass Arbeiter, geschulte Arbeiter, mehr und mehr an Wert gewinnen. Die Zeiten in denen Millionen Fliessbandarbeiter hintereinander Schlange standen und auf Beschäftigung warteten schwinden. Qualität wird zunehmend auch im Arbeitsprozess gefragt. Und das schafft die Notwendigkeit, in den Faktor Arbeit zu investieren. Gut zu Essen gehört dazu. Klingt simpel, aber wer will schon hungrig zur Arbeit gehen. Jedem Chinesen sein Tofu-Schnitzel!
Und Asien leidet unter den Preisanstiegen bei Agrar noch zusätzlich. Asien ist generell in seinen Inflationskörben weit abhängiger von Lebensmittelpreisen als der Westen. Rund 40% ist der Anteil in Indien beispielsweise, China veröffentlicht keine Daten, aber dort dürfte der Anteil kaum geringer sein. Die Rolle der Löhne ist noch gering. Agrar und Öl dominieren. Und während der Westen versucht, sich mit Biosprit aus Zucker, Mais und Weizen von seiner Abhängigkeit vom Arabischen Öl zu emanzipieren wissen die Volkswirte Asiens nicht, wie sie der steigenden Inflation Herr werden können. Sonderprogramme mit Subventionsstrategien füllen bereits die Schubladen vor Ort. Der Weg aus Asiens Dilemma wird vielleicht die kurzfristige Anpassung der Inflationskörbe sein, mittelfristig muss das Thema aber global und nachhaltig via Verbesserung der globalen Nahrungsverteilung und -gewinnung mit Hilfe von Unternehmen der Düngemittel- und Pharmaindustrie gelöst werden. Erfreulicherweise haben die Demonstrationen in Nordafrika eine Wende zum Demokratischen genommen.
Es wäre aber ein unverzeihlicher Fehler und ein furchtbarer Rückschritt, die ökonomische Ursache für deren Entstehung zu ignorieren. Dem finalen Ziel, den europäisch-afrikanischen Swap des Jahrhunderts, „Sonne gegen Getreide“, einzuleiten, der auch noch die Energieversorger glücklich macht, sind wir so nahe wie nie. Ihn global zu thematisieren würde bereits genügen.
Panem et Circenses
Die jubelnden Ägypter im Hauptabendprogramm sind Beweis für den Aufbruch in eine neue Ära. Ihre Revolution scheint allein aus tiefer sozialer Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit entstanden zu sein. In Wirklichkeit haben sie überwiegend Hunger.
Die aktuellen Agrar- und Lebensmittelpreise enttarnen eine dramatische Situation. In den letzten zehn Monaten stieg der GSCI Agricultural Spot Index um 96%. Die Lebensmittelkosten in Nordafrika liegen in manchen Staaten bereits bei über 70% des durchschnittlichen persönlichen Einkommens. Während wir uns über Spritpreise ärgern, wissen Millionen Familien nicht, wie sie Einkommen und Nahrungsbedarf aufeinander abstimmen können. Die Unruhen in Nordafrika werden aus diesem Umstand heraus plausibel, insbesondere deswegen, weil das Problem der Importabhängigkeit, vor allem von US-Getreideimporten, durch strikte Verweigerung von Agrarreformen stets virulent blieb.
Wer jetzt in einer Art Reflex den Finanzmärkten die Schuld am Anstieg der Lebensmittelpreise gibt, der dürfte sich irren. Zwar sind Finanzinvestments in Agrarderivate, und nur in Solche macht Investieren überhaupt Sinn, wenn man sich nicht ein paar Tonnen Mais ins Wohnzimmer leeren will, gestiegen, aber nicht so stark, um die enormen Preisanstiege rechtfertigen zu können. Es ist nämlich weit einfacher, Rohöl irgendwo zu bunkern und darauf zu handeln, als die mancherorts recht komplexe und daher auch teure Zwischenlagerung von Agrarrohstoffen für seine Finanzkunden zu übernehmen. Da kann man viel einfacher gleich in Aktien investieren, die via Land, Saatgut oder Düngemittel am Boom partizipieren. Nein, es ist unser neues Wirtschaftswachstum, das uns aufisst. Insbesondere Asiens Dynamik bringt nicht nur Wachstum, sondern auch den Drang nach mehr und qualitativerer Ernährung mit sich. Man weiss im Land der aufgehenden Sonne, dass Arbeiter, geschulte Arbeiter, mehr und mehr an Wert gewinnen. Die Zeiten in denen Millionen Fliessbandarbeiter hintereinander Schlange standen und auf Beschäftigung warteten schwinden. Qualität wird zunehmend auch im Arbeitsprozess gefragt. Und das schafft die Notwendigkeit, in den Faktor Arbeit zu investieren. Gut zu Essen gehört dazu. Klingt simpel, aber wer will schon hungrig zur Arbeit gehen. Jedem Chinesen sein Tofu-Schnitzel!
Und Asien leidet unter den Preisanstiegen bei Agrar noch zusätzlich. Asien ist generell in seinen Inflationskörben weit abhängiger von Lebensmittelpreisen als der Westen. Rund 40% ist der Anteil in Indien beispielsweise, China veröffentlicht keine Daten, aber dort dürfte der Anteil kaum geringer sein. Die Rolle der Löhne ist noch gering. Agrar und Öl dominieren. Und während der Westen versucht, sich mit Biosprit aus Zucker, Mais und Weizen von seiner Abhängigkeit vom Arabischen Öl zu emanzipieren wissen die Volkswirte Asiens nicht, wie sie der steigenden Inflation Herr werden können. Sonderprogramme mit Subventionsstrategien füllen bereits die Schubladen vor Ort. Der Weg aus Asiens Dilemma wird vielleicht die kurzfristige Anpassung der Inflationskörbe sein, mittelfristig muss das Thema aber global und nachhaltig via Verbesserung der globalen Nahrungsverteilung und -gewinnung mit Hilfe von Unternehmen der Düngemittel- und Pharmaindustrie gelöst werden. Erfreulicherweise haben die Demonstrationen in Nordafrika eine Wende zum Demokratischen genommen.
Es wäre aber ein unverzeihlicher Fehler und ein furchtbarer Rückschritt, die ökonomische Ursache für deren Entstehung zu ignorieren. Dem finalen Ziel, den europäisch-afrikanischen Swap des Jahrhunderts, „Sonne gegen Getreide“, einzuleiten, der auch noch die Energieversorger glücklich macht, sind wir so nahe wie nie. Ihn global zu thematisieren würde bereits genügen.