01.10.2019

Sackgasse Fixed Income



Wohin können negative Renditen noch „steigen“? Die 10-jährige deutsche Staatsanleihe rentiert bei -0,54%. Sie war Anfang September schon mal bei -0,74%. Die gesamte deutsche Zinskurve ist unter Null. Österreich taucht ab 18 Jahren Laufzeit darüber auf. Real, nach Inflation, gibt es kein Land in Europa das positiv ist.

Ab Null Rendite (jedweder Art „Null“) macht es keinen Sinn mehr der historisch verbrämten Rollenfunktion von Fixed Income, dem langsamen aber sicheren Zuwachs seiner Investition, zu vertrauen. Genau diese Funktion ist aber für viele Investoren, und da zählen vor Allem die institutionellen Portfolios dazu, eine Kernfunktion ihrer Veranlagungsmodelle. Eine Pensionskasse braucht den Zins um dem Pensionskassengesetz folgend, eine hohe Quote an Anleihen in ihren Portfolien rechtfertigen zu können. Hat sie diesen Zins nicht mehr, wird sie kaum in der Lage sein ihre Vorgaben gegenüber den jeweils Berechtigten auch mittelfristig erfüllen zu können. Die gesetzliche Verpflichtung zur Quote bleibt aber. Das Ringen um die Zuteilung bei den beiden 100-jährigen Anleiheemissionen der Republik Österreich spricht genau diese Sprache. Niemand bei den Pensionskassen glaubt im Ernst, dass ein solcher Bond nicht ein enormes Risiko darstellt, aber nahezu alle haben sich darum gerissen. Warum? Ganz einfach, er liefert im Gegenzug zum Rest des Marktes noch als einer der wenigen Investments bei österreichischen Staatsanleihen eine positive Rendite. Und wer die Kraft von Zinseszinsen kennt, der weiß warum diese gerade für die Träger künftiger Pensionsversprechen so wichtig ist.

Die Krux ist aber die Vorausschau und erwiesene Intelligenz dieser Berufsgruppen des Portfoliomanagements. Bondinvestoren sind es gewohnt langfristige Zinserwartungen in ihre Anlagen zu importieren. Diese Annahmen werden danach an den Märkten umgesetzt. Was die letzten Monate passiert ist, ist ein Akzeptieren der Politik der EZB, die Not der zur Investition Verpflichteten auch für den Fall von Negativrenditen aufrecht zu erhalten. Die Vorwegnahme dieser Entwicklung hat daher einen Kaufwettlauf auch im negativen Renditebereich ausgelöst. Quasi, die Rendite aus dem Kupon wurde durch den erhofften Kursgewinn ersetzt. Funktioniert auch, so lange es jemanden gibt, der einem diesen Kursgewinn am Ende auch verschafft. Die EZB hat davor eindeutig signalisiert wieder ins Spiel der Marktkräfte eingreifen zu wollen, dieser Käufer zu sein und alles zu kaufen was nicht vorher in den Depots verschwindet. Die letzte Sitzung hat dann ein wenig Klarheit über diese Ambitionen gebracht und bei dem einen oder anderen zum „Sell the Fact“ geführt. Und plötzlich steht der ganze Markt vor einem wirklichen Problem: Was macht man bei einer Minusrendite im Fixed Income Markt mit seinem Portfolio?

Die erste Antwort wäre: verkaufen. Und zwar Alles. Schlimmer geht nimmer. Die Kursgewinne sind so hoch wie niemals davor erwartet, und irgendwann wird sich ja doch die ökonomische Vernunft in Form positiver Renditen, die sich - welch Wunschvorstellung - auch höher als die jeweilige Inflation entwickeln könnten, weil nur dann hat man ja sein Kapital wirklich geschützt, zeigen. Nur, was macht man nachdem man verkauft hat? Warten? Das Warten kostet nämlich etwas. Cashverzinsung derzeit -0,5%. Eine neue Anleihe billiger kaufen? Ja vielleicht, aber da wird man derzeit ebenso negativ verzinst. Es sei, man ist dem Schuldner gegenüber völlig unkritisch. Exakt jetzt sind beispielsweise griechische Anleihen so beliebt, wie seit Jahren nicht mehr. Aus genau diesem Grund. 1,3% Rendite gibt’s dort gerade noch auf 10 Jahre zu haben. Schnäppchen.

Die zweite Antwort wäre: behalten. Augen zu und durch. Die EZB sorgt schon dafür, vielleicht im Verein mit ein paar US-Fonds die durch die negativen EU-Renditen in der Euro-Absicherung ihres Investments sogar positiv herauskommen, dass sich am hohen Kurs der Anleihen nichts ändert. Bleibt eben alles stehen. Nur was macht man wenn irgendwann doch der Trend zur Normalität einsetzt? Dann gäbe es Buchverluste zu beklagen und zu dokumentieren, vielleicht verbunden mit der internen Kritik gegenüber der vergebenen Chance auf die Einnahme von Kursgewinnen (die dekursive Intelligenz gibt es überall). Diese Kursverluste müsste man auch seinen Anlegern kommunizieren und vielleicht sogar Auszahlungen oder Leistungsversprechen einschränken. Ist hochgradig unangenehm und mit ein paar Sätzen allein auch nicht seinen enttäuschten Kunden zu erklären.

Dies alles dreht sich im Kreis weil die Asset Klasse „Anleihe“ auf Jahre hinaus kontaminiert ist. Es gelingt nicht, sich durch ein taktisches Meisterstück aus dieser Bredouille zu entfernen ohne dabei das Risikoprofil zu verändern oder seinen rechtlichen Rahmen zu verletzen. Es kann de facto also nur ein, und da kennen wir uns in diesem Lande ganz gut damit aus, Ausreizen und Interpretieren des rechtlichen Rahmens sein, der die notwendigen Anpassungen ermöglicht. Lösungsansätze dafür gibt es bereits, und einige davon werden auch stärker als sonst genutzt. Private Equity ist so ein Bereich. Allein die Tatsache, dass Private Equity nicht börsennotiert ist und daher auch anderen Bewertungskriterien unterliegt, lässt die Investments dorthin gerade sprudeln. Die simple Aktieninvestition bleibt dagegen noch im regulatorischen Eck liegen. Sie birgt die Kursrisiken, die sich zwar mittel bis langfristig der Dividendenrendite deutlich unterordnen müssen, aber kurzfristig nicht einfach abzuschätzen sind.

Es gibt daher, neben dem blinden Akzeptieren, und damit der Selbstaufgabe zwei Lösungsansätze: der Erste klingt abenteuerlich, nämlich die Bondportfolien amtlich geschützt zu isolieren und für bestimmte staatsnahe Zwecke zu widmen. Das war ja auch ihre bisherige Rolle, die Staaten zu finanzieren und umzuschulden auf Teufel komm raus. Also eine Monsteremission in neu zu errichtende Eurobonds in die jeder einmalig so viel seiner Positionen tauschen kann wie er will. Die wird einem eigenen Regulativ unterworfen, quasi wegbuchen und vergessen. Danach ist Schluss mit lustig und es kann von neuem beginnen. Schafft Ärger so lange es Rendite-Ungleichgewichte in Euroland gibt, aber die schrumpfen am Rentenmarkt ohnehin Tag für Tag. Der zweite Weg zur Lösung ist natürlich weniger spektakulär, aber vielleicht besser, weil individueller. Die regulatorischen Rahmenbedingungen werden dem Schachmatt der Anleihenmärkte angepasst und mehr „historisches Risiko“ in der Veranlagung zugelassen. Aktien sollten davon am meisten profitieren können. Die „Realrendite“ Dividende würde wieder salonfähig. Ökonomische Analyse wieder belohnt. Nur, wer kauft dann unseren Finanzministern künftig die Staatsanleihen ab? Also doch eine Kombination von beiden ;-).

Trotz mehrfachem Kneifen in die Wange bin ich noch immer nicht aufgewacht …



01.10.2019

Sackgasse Fixed Income



Wohin können negative Renditen noch „steigen“? Die 10-jährige deutsche Staatsanleihe rentiert bei -0,54%. Sie war Anfang September schon mal bei -0,74%. Die gesamte deutsche Zinskurve ist unter Null. Österreich taucht ab 18 Jahren Laufzeit darüber auf. Real, nach Inflation, gibt es kein Land in Europa das positiv ist.

Ab Null Rendite (jedweder Art „Null“) macht es keinen Sinn mehr der historisch verbrämten Rollenfunktion von Fixed Income, dem langsamen aber sicheren Zuwachs seiner Investition, zu vertrauen. Genau diese Funktion ist aber für viele Investoren, und da zählen vor Allem die institutionellen Portfolios dazu, eine Kernfunktion ihrer Veranlagungsmodelle. Eine Pensionskasse braucht den Zins um dem Pensionskassengesetz folgend, eine hohe Quote an Anleihen in ihren Portfolien rechtfertigen zu können. Hat sie diesen Zins nicht mehr, wird sie kaum in der Lage sein ihre Vorgaben gegenüber den jeweils Berechtigten auch mittelfristig erfüllen zu können. Die gesetzliche Verpflichtung zur Quote bleibt aber. Das Ringen um die Zuteilung bei den beiden 100-jährigen Anleiheemissionen der Republik Österreich spricht genau diese Sprache. Niemand bei den Pensionskassen glaubt im Ernst, dass ein solcher Bond nicht ein enormes Risiko darstellt, aber nahezu alle haben sich darum gerissen. Warum? Ganz einfach, er liefert im Gegenzug zum Rest des Marktes noch als einer der wenigen Investments bei österreichischen Staatsanleihen eine positive Rendite. Und wer die Kraft von Zinseszinsen kennt, der weiß warum diese gerade für die Träger künftiger Pensionsversprechen so wichtig ist.

Die Krux ist aber die Vorausschau und erwiesene Intelligenz dieser Berufsgruppen des Portfoliomanagements. Bondinvestoren sind es gewohnt langfristige Zinserwartungen in ihre Anlagen zu importieren. Diese Annahmen werden danach an den Märkten umgesetzt. Was die letzten Monate passiert ist, ist ein Akzeptieren der Politik der EZB, die Not der zur Investition Verpflichteten auch für den Fall von Negativrenditen aufrecht zu erhalten. Die Vorwegnahme dieser Entwicklung hat daher einen Kaufwettlauf auch im negativen Renditebereich ausgelöst. Quasi, die Rendite aus dem Kupon wurde durch den erhofften Kursgewinn ersetzt. Funktioniert auch, so lange es jemanden gibt, der einem diesen Kursgewinn am Ende auch verschafft. Die EZB hat davor eindeutig signalisiert wieder ins Spiel der Marktkräfte eingreifen zu wollen, dieser Käufer zu sein und alles zu kaufen was nicht vorher in den Depots verschwindet. Die letzte Sitzung hat dann ein wenig Klarheit über diese Ambitionen gebracht und bei dem einen oder anderen zum „Sell the Fact“ geführt. Und plötzlich steht der ganze Markt vor einem wirklichen Problem: Was macht man bei einer Minusrendite im Fixed Income Markt mit seinem Portfolio?

Die erste Antwort wäre: verkaufen. Und zwar Alles. Schlimmer geht nimmer. Die Kursgewinne sind so hoch wie niemals davor erwartet, und irgendwann wird sich ja doch die ökonomische Vernunft in Form positiver Renditen, die sich - welch Wunschvorstellung - auch höher als die jeweilige Inflation entwickeln könnten, weil nur dann hat man ja sein Kapital wirklich geschützt, zeigen. Nur, was macht man nachdem man verkauft hat? Warten? Das Warten kostet nämlich etwas. Cashverzinsung derzeit -0,5%. Eine neue Anleihe billiger kaufen? Ja vielleicht, aber da wird man derzeit ebenso negativ verzinst. Es sei, man ist dem Schuldner gegenüber völlig unkritisch. Exakt jetzt sind beispielsweise griechische Anleihen so beliebt, wie seit Jahren nicht mehr. Aus genau diesem Grund. 1,3% Rendite gibt’s dort gerade noch auf 10 Jahre zu haben. Schnäppchen.

Die zweite Antwort wäre: behalten. Augen zu und durch. Die EZB sorgt schon dafür, vielleicht im Verein mit ein paar US-Fonds die durch die negativen EU-Renditen in der Euro-Absicherung ihres Investments sogar positiv herauskommen, dass sich am hohen Kurs der Anleihen nichts ändert. Bleibt eben alles stehen. Nur was macht man wenn irgendwann doch der Trend zur Normalität einsetzt? Dann gäbe es Buchverluste zu beklagen und zu dokumentieren, vielleicht verbunden mit der internen Kritik gegenüber der vergebenen Chance auf die Einnahme von Kursgewinnen (die dekursive Intelligenz gibt es überall). Diese Kursverluste müsste man auch seinen Anlegern kommunizieren und vielleicht sogar Auszahlungen oder Leistungsversprechen einschränken. Ist hochgradig unangenehm und mit ein paar Sätzen allein auch nicht seinen enttäuschten Kunden zu erklären.

Dies alles dreht sich im Kreis weil die Asset Klasse „Anleihe“ auf Jahre hinaus kontaminiert ist. Es gelingt nicht, sich durch ein taktisches Meisterstück aus dieser Bredouille zu entfernen ohne dabei das Risikoprofil zu verändern oder seinen rechtlichen Rahmen zu verletzen. Es kann de facto also nur ein, und da kennen wir uns in diesem Lande ganz gut damit aus, Ausreizen und Interpretieren des rechtlichen Rahmens sein, der die notwendigen Anpassungen ermöglicht. Lösungsansätze dafür gibt es bereits, und einige davon werden auch stärker als sonst genutzt. Private Equity ist so ein Bereich. Allein die Tatsache, dass Private Equity nicht börsennotiert ist und daher auch anderen Bewertungskriterien unterliegt, lässt die Investments dorthin gerade sprudeln. Die simple Aktieninvestition bleibt dagegen noch im regulatorischen Eck liegen. Sie birgt die Kursrisiken, die sich zwar mittel bis langfristig der Dividendenrendite deutlich unterordnen müssen, aber kurzfristig nicht einfach abzuschätzen sind.

Es gibt daher, neben dem blinden Akzeptieren, und damit der Selbstaufgabe zwei Lösungsansätze: der Erste klingt abenteuerlich, nämlich die Bondportfolien amtlich geschützt zu isolieren und für bestimmte staatsnahe Zwecke zu widmen. Das war ja auch ihre bisherige Rolle, die Staaten zu finanzieren und umzuschulden auf Teufel komm raus. Also eine Monsteremission in neu zu errichtende Eurobonds in die jeder einmalig so viel seiner Positionen tauschen kann wie er will. Die wird einem eigenen Regulativ unterworfen, quasi wegbuchen und vergessen. Danach ist Schluss mit lustig und es kann von neuem beginnen. Schafft Ärger so lange es Rendite-Ungleichgewichte in Euroland gibt, aber die schrumpfen am Rentenmarkt ohnehin Tag für Tag. Der zweite Weg zur Lösung ist natürlich weniger spektakulär, aber vielleicht besser, weil individueller. Die regulatorischen Rahmenbedingungen werden dem Schachmatt der Anleihenmärkte angepasst und mehr „historisches Risiko“ in der Veranlagung zugelassen. Aktien sollten davon am meisten profitieren können. Die „Realrendite“ Dividende würde wieder salonfähig. Ökonomische Analyse wieder belohnt. Nur, wer kauft dann unseren Finanzministern künftig die Staatsanleihen ab? Also doch eine Kombination von beiden ;-).

Trotz mehrfachem Kneifen in die Wange bin ich noch immer nicht aufgewacht …