02.10.2018

Samma uns ehrlich



Die Kursentwicklung an Europas Börsen war die letzten Monate unerfreulich. Schlimmer noch jene vieler Emerging Markets. Die einzigen Märkte, die scheinbar „funktionierten“, waren jene der USA. Der Weg zur emotionalen Analyse ist sicher attraktiv, aber versuchen wir einmal ganz nüchtern zu objektiveren.

Die Performance der USA ist kein Zufall. Steuervergünstigungen, ein Zug zum Profitdenken, eine Politik, die vielleicht kurzfristigen, aber doch chauvinistischen Rückenwind erzeugt, und bewusstes Hinwegsehen, wenn halb Corporate USA wie losgelöst eigene Aktien zurück kauft. Ob das jetzt eine Blase erzeugt oder nicht ist derzeit offensichtlich sekundär. Die Conclusio, dass Europa dagegen anständiger und ungerechtfertigt billiger sei, zielt aber zu kurz. Man muss schon genauer hinsehen.

In Europa sind die Large Caps um fast nichts billiger als jene in USA. Im Gegenteil, viele sogar teurer wenn man Profitabilitätsgesichtspunkte einfließen lässt. Auch sind in Europa nicht weniger kluge und geschickte Unternehmer und Manager am Werk als in „brave America“. Dagegen sind, während Large Caps historisch hoch bewertet sind, Small- und Midcaps am unteren historischen Bewertungsende angelangt. In kaum einer Periode zuvor gab es eine dermaßen hohe Divergenz. Sind jetzt alle Manager der Top-Unternehmen besser? Sind deren Produkte unschlagbar präsent während die der kleineren keine Chance haben? Kommt das Know How plötzlich von „Oben“ und nicht wie die letzten Jahrhunderte immer von „Unten“, von jenen, die schlauer sein „müssen“, um überleben zu können?

Wenn wir diese Argumente unabhängig voneinander betrachten, ergibt sich rasch ein Faktenbaum, der so ziemlich alle Divergenzen in der Kursentwicklung erklärt. Fakt ist, dass Europa in politischen Problemen steckt, die man so leicht nicht lösen wird können. Das deutsche Wirtschaftswunder leidet unter dem Dilemma sich vom größten Schuldner jede Frechheit dieser Welt gefallen zu lassen, weil wenn Italien nicht zahlt, wird’s eng mit der EU. Die Häme und den Zynismus eines Matteo Salvini muss man sich scheinbar gefallen lassen, auch wenn man mit 920 Mrd. Euro der größte Gläubiger der EU ist. Deutschland ist gefordert Flagge zu zeigen, und das tut es wenn dann hinter den Kulissen - ein wenig geeignet erscheinendes Mittel im Kampf gegen Populisten, denen die Öffentlichkeit ja wichtiger ist. UK selbst ist in Sachen Brexit am lokalen Standpunkt angekommen. Eine rasche Lösung mit der EU wird es nicht geben, weil vorher die Machtverhältnisse in UK erst neu austarockiert werden müssen. Auch hier verliert Europa gegen USA in punkto Glaubwürdigkeit, Souveränität und daher Geschwindigkeit. Bleibt der Regulator, die EU Kommission und ihre gesetzestreuen Regelerfinder. Hier regiert Brüssel nahezu ohne ernstgemeintes und auch ernstgenommenes Korrektiv. Es gibt offensichtlich keinen logischen Quercheck bevor neue Regularien auf Eurolands mittlerweile nahezu manisch agierenden Schutzbefohlenen losgelassen werden. Das Ei, das sich die EU hier selbst gelegt hat, beginnt schon riechbar zu faulen. Über der Underperformance der Small- und Midcaps wabert zum Beispiel dieser schwefelige Mief. Es ist nicht anders zu erklären, dass solch wichtige und für Wirtschaftssysteme nahezu unersetzliche Sektoren dermaßen aus dem Investoreninteresse fliegen. Das gibt es normalerweise nicht, außer wenn gravierende externe Gründe vorliegen. Früher waren das Steuergesetze, die von Großen leichter umgangen werden konnten, oder gravierende Produktionsvorteile global agierender Unternehmen, heute ist das MiFID II. Kaum ein großes Investmenthaus, institutioneller Anleger oder Berater am Kundentresen einer Bank getrauen sich oder dürfen oder können in Small- und Midcaps ihren Job machen. Es ist so! 7% aller Small- und Midcaps werden nicht mehr analysiert, 30% nur mehr von einem Analysehaus. Nahezu alle sind gemäß MiFID II dadurch zwangsweise auf der Prüfbank ob man in solche Werte überhaupt noch investieren darf. Die Meisten fliegen raus. Kursgemetzel sekundär. Kauft man halt stattdessen zum x-ten Mal eine Nestle. Kein Wunder, dass sich die Investoren aus US und China in Euroland mittlerweile die Perlen aussuchen können. Sie werden ihnen ja auf dem Silberteller präsentiert! Wir bejammern den Ausverkauf europäischer Intelligenz und sind der Grund dafür warum es überhaupt passiert.

Der Einzige Hoffnungsschimmer, dass dieser Einfluss bald verschwindet liegt darin, dass mit Ende 2018 alles getan sein dürfte um an MiFID II nicht mehr anzustreifen. Der Ausverkauf hat ein Ablaufdatum. Der (Kurs)Schaden ist aber Tatsache. Auch das mittlerweile etwas angeknackste Selbstvertrauen der Wirtschaft braucht dringend ein oder zwei Schulterklopfer. Die Politik, die Gesetzeshüter, die Regulierer, sie alle täten gut daran, auch einmal mit Kapitalmarktvertretern der unteren Chargen zu sprechen wie deren Leben denn mittlerweile so ist und was ihre Gedanken zu all dem Gutgemeinten sind. Vielleicht erinnert man sich dann an Karl Kraus der formulierte: Das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint.



02.10.2018

Samma uns ehrlich



Die Kursentwicklung an Europas Börsen war die letzten Monate unerfreulich. Schlimmer noch jene vieler Emerging Markets. Die einzigen Märkte, die scheinbar „funktionierten“, waren jene der USA. Der Weg zur emotionalen Analyse ist sicher attraktiv, aber versuchen wir einmal ganz nüchtern zu objektiveren.

Die Performance der USA ist kein Zufall. Steuervergünstigungen, ein Zug zum Profitdenken, eine Politik, die vielleicht kurzfristigen, aber doch chauvinistischen Rückenwind erzeugt, und bewusstes Hinwegsehen, wenn halb Corporate USA wie losgelöst eigene Aktien zurück kauft. Ob das jetzt eine Blase erzeugt oder nicht ist derzeit offensichtlich sekundär. Die Conclusio, dass Europa dagegen anständiger und ungerechtfertigt billiger sei, zielt aber zu kurz. Man muss schon genauer hinsehen.

In Europa sind die Large Caps um fast nichts billiger als jene in USA. Im Gegenteil, viele sogar teurer wenn man Profitabilitätsgesichtspunkte einfließen lässt. Auch sind in Europa nicht weniger kluge und geschickte Unternehmer und Manager am Werk als in „brave America“. Dagegen sind, während Large Caps historisch hoch bewertet sind, Small- und Midcaps am unteren historischen Bewertungsende angelangt. In kaum einer Periode zuvor gab es eine dermaßen hohe Divergenz. Sind jetzt alle Manager der Top-Unternehmen besser? Sind deren Produkte unschlagbar präsent während die der kleineren keine Chance haben? Kommt das Know How plötzlich von „Oben“ und nicht wie die letzten Jahrhunderte immer von „Unten“, von jenen, die schlauer sein „müssen“, um überleben zu können?

Wenn wir diese Argumente unabhängig voneinander betrachten, ergibt sich rasch ein Faktenbaum, der so ziemlich alle Divergenzen in der Kursentwicklung erklärt. Fakt ist, dass Europa in politischen Problemen steckt, die man so leicht nicht lösen wird können. Das deutsche Wirtschaftswunder leidet unter dem Dilemma sich vom größten Schuldner jede Frechheit dieser Welt gefallen zu lassen, weil wenn Italien nicht zahlt, wird’s eng mit der EU. Die Häme und den Zynismus eines Matteo Salvini muss man sich scheinbar gefallen lassen, auch wenn man mit 920 Mrd. Euro der größte Gläubiger der EU ist. Deutschland ist gefordert Flagge zu zeigen, und das tut es wenn dann hinter den Kulissen - ein wenig geeignet erscheinendes Mittel im Kampf gegen Populisten, denen die Öffentlichkeit ja wichtiger ist. UK selbst ist in Sachen Brexit am lokalen Standpunkt angekommen. Eine rasche Lösung mit der EU wird es nicht geben, weil vorher die Machtverhältnisse in UK erst neu austarockiert werden müssen. Auch hier verliert Europa gegen USA in punkto Glaubwürdigkeit, Souveränität und daher Geschwindigkeit. Bleibt der Regulator, die EU Kommission und ihre gesetzestreuen Regelerfinder. Hier regiert Brüssel nahezu ohne ernstgemeintes und auch ernstgenommenes Korrektiv. Es gibt offensichtlich keinen logischen Quercheck bevor neue Regularien auf Eurolands mittlerweile nahezu manisch agierenden Schutzbefohlenen losgelassen werden. Das Ei, das sich die EU hier selbst gelegt hat, beginnt schon riechbar zu faulen. Über der Underperformance der Small- und Midcaps wabert zum Beispiel dieser schwefelige Mief. Es ist nicht anders zu erklären, dass solch wichtige und für Wirtschaftssysteme nahezu unersetzliche Sektoren dermaßen aus dem Investoreninteresse fliegen. Das gibt es normalerweise nicht, außer wenn gravierende externe Gründe vorliegen. Früher waren das Steuergesetze, die von Großen leichter umgangen werden konnten, oder gravierende Produktionsvorteile global agierender Unternehmen, heute ist das MiFID II. Kaum ein großes Investmenthaus, institutioneller Anleger oder Berater am Kundentresen einer Bank getrauen sich oder dürfen oder können in Small- und Midcaps ihren Job machen. Es ist so! 7% aller Small- und Midcaps werden nicht mehr analysiert, 30% nur mehr von einem Analysehaus. Nahezu alle sind gemäß MiFID II dadurch zwangsweise auf der Prüfbank ob man in solche Werte überhaupt noch investieren darf. Die Meisten fliegen raus. Kursgemetzel sekundär. Kauft man halt stattdessen zum x-ten Mal eine Nestle. Kein Wunder, dass sich die Investoren aus US und China in Euroland mittlerweile die Perlen aussuchen können. Sie werden ihnen ja auf dem Silberteller präsentiert! Wir bejammern den Ausverkauf europäischer Intelligenz und sind der Grund dafür warum es überhaupt passiert.

Der Einzige Hoffnungsschimmer, dass dieser Einfluss bald verschwindet liegt darin, dass mit Ende 2018 alles getan sein dürfte um an MiFID II nicht mehr anzustreifen. Der Ausverkauf hat ein Ablaufdatum. Der (Kurs)Schaden ist aber Tatsache. Auch das mittlerweile etwas angeknackste Selbstvertrauen der Wirtschaft braucht dringend ein oder zwei Schulterklopfer. Die Politik, die Gesetzeshüter, die Regulierer, sie alle täten gut daran, auch einmal mit Kapitalmarktvertretern der unteren Chargen zu sprechen wie deren Leben denn mittlerweile so ist und was ihre Gedanken zu all dem Gutgemeinten sind. Vielleicht erinnert man sich dann an Karl Kraus der formulierte: Das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint.